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Der INF-Vertrag ist Geschichte

02.08.2019

Nach jahrelangen, gegenseitigen Beschuldigungen des Vertragsbruchs und der formellen Aufkündigung des Vertrags beider Seiten, läuft der INF-Vertrag heute aus. Der 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion geschlossene Vertrag über nukleare Kurz- und Mittelstreckenraketen (Intermediate Range Nuclear Forces) gilt als Meilenstein auf dem Weg zur Beendigung des Kalten Krieges und stellt ein Schlüsselelement in der europäischen Sicherheitsarchitektur dar.

In dem Vertrag einigten sich die beiden Länder, auf landgestützte, ballistische Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 km zu verzichten, vorhandene Waffen dieses Typs zu vernichten und die Produktion und Tests weiterer zu verbieten. Darüber hinaus gewährten sie sich für 15 Jahre gegenseitige Kontrollrechte zur Überprüfung der Einhaltung des Vertrags. Im Zuge dieses Übereinkommens wurden in den darauffolgenden Jahren knapp 2.700, in Europa stationierte Kurz- und Mittelstreckenwaffensysteme abgezogen und vernichtet.

Im Oktober 2018 sprach Donald Trump erstmals offiziell von einer Aufkündigung des INF-Vertrags. Auslöser hierfür war gemäß Trump der Bau und Test des russischen Marschflugkörpers des Typs 9M729. Da dieser laut der US-amerikanischen Regierung eine deutlich höhere Reichweite als 500 km habe, handele es sich hierbei um einen Vertragsbruch von russischer Seite. Russland dementiert das und behauptet, die 9M729, auch als SSC-8 im Westen bekannt, hat eine Reichweite von nur 480 Kilometern. Trotzdem stellten die USA Russland daraufhin ein 60-tägiges Ultimatum für die Zerstörung dieser Flugkörper. Verstreiche dieses Ultimatum und Russland halte sich weiterhin nicht an die Vertragsvereinbarungen, würde die USA den Vertrag ihrerseits aufkündigen.

Russland beschuldigte im Gegenzug die USA, durch ihr in Rumänien stationiertes Raketenabwehrsystem Aegis des Typs MK-41 gegen die Vertragsvereinbarungen zu verstoßen. Es handle sich hierbei nicht nur um reine Abwehrraketen, wie es die USA behauptete. Laut der russischen Regierung und vereinzelten Experten könnte dieses System schnell in eine Offensivwaffe umgewandelt werden, die wiederum gegen den Vertrag verstoßen würde.

Da beide Seiten in den darauffolgenden Monaten kein Interesse an Inspektionen oder öffentlichen Kontrollen zeigten und weitere Verhandlungen scheiterten, kündigte der US-amerikanische Außenminister Mike Pompeo am 1. Februar 2019 an, den Vertrag ab den 2. Februar auszusetzen und aus dem Vertrag am 2. August.2019 komplett auszutreten. Trotz wiederholten und verstärkten Appellen, sowohl seitens der NATO als auch der EU, setzte kurze Zeit später Russland den Vertrag seinerseits ebenfalls außer Kraft.

Neben den angeblichen, beidseitigen Vertragsbrüchen spielte mit großer Wahrscheinlichkeit auch die, durch die neue geopolitische Lage, überholte, bilaterale Struktur des Vertrags eine wesentliche Rolle in der Aufkündigung dieses. Sowohl die USA als auch Russland betonten in den letzten Jahren wiederholt die Bedrohungen, die von den anderen Akteuren wie China, Nordkorea oder Iran ausgehen. Das bilaterale Einkommen schränke Russland und die USA erheblich in ihrer Rüstung und Verteidigung ein, während aufsteigende Nuklearmächte wie beispielsweise China, Pakistan und Indien nicht unter seine Kontrolle fallen. 

Aussagen der beiden Regierungen in den letzten Monaten und die angespannte Lage zwischen den Ländern lassen auf ein erneutes atomares Wettrüsten als Folge der Aufkündigung des Vertrags schließen. Im Rahmen des NATO-Militärbündnisses wird dies möglicherweise zu einer erneuten Aufrüstung und der Stationierung zusätzlicher US-Atomwaffen in Europa führen. Wie sich die einzelnen Länder in Bezug auf die Stationierung neuer Atomwaffen positionieren würden, ist unklar. Das Thema könnte jedoch zu einer weiteren Zerreißprobe Europas werden. Darüber hinaus würden jene Militärbasen, die durch die Stationierung von Atomwaffen strategische Einrichtungen auf europäischem Boden werden, durchaus zu potenziellen Zielen russischer Angriffe werden. Aus diesen Gründen wird die Vertragsaufkündigung nicht nur die Beziehungen zwischen Russland und den USA beeinflussen, sondern auch mit erheblichen Veränderungen in der Sicherheitsarchitektur Europas einhergehen. kk (Quellen: ARD, SWP, ntv, MDR, Spiegel)

Bild oben: Ronald Reagan und Michail Gorbatschow unterzeichnen den INF-Vertrag am 8. Dezember 1987. Bild: Archiv Ronald Reagan / gemeinfrei

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