02.05.2022
Mitten im Ukraine-Krieg hat das russische Militär eine atomwaffenfähige Langstreckenrakete getestet und mit scharfen Worten des Kremlchefs Wladimir Putin an den Westen begleitet. Am 20. April, sei die „Sarmat“-Rakete vom Startplatz Plessezk in der Region Archangelsk abgefeuert worden und habe wie geplant ein mehr als 5.000 Kilometer entferntes Ziel auf dem Militärgelände Kura auf der Halbinsel Kamtschatka getroffen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau.
Laut dem russischen Verteidigungsministerium verstärke diese Rakete das nukleare Potential extrem. Mit einer Reichweite von 18.000 Kilometern würde keine bisher bekannte Rakete solch lange Strecken zurücklegen können. Die Rakete soll des Weiteren mehrere Sprengköpfe tragen können und könnte somit gleichzeitig mehrere Ziele in einem begrenzten Gebiet anvisieren. MIRVs (Multiple Independently Targetable Reentry Vehicles) sollen zudem Täuschkörper mit sich tragen können, was die Effektivität von Abwehrraketen einschränkt. Die Präzision der Rakete lässt sich derzeitig nicht genau einschätzen. Letztlich soll die „Sarmat“ auch Hyperschallwaffen tragen können, die besonders manövrierfähig sind.
Putin zufolge soll die „Sarmat“ die alten, schweren „Wojewoda“-Atomraketen (Nato-Codename „SS-18 Satan“) ablösen. Der Präsident betonte, dass die Waffen unabhängig von den internationalen Sanktionen gegen Russland in Serie gehen könnten. Russland habe genügend Material dazu, alle Komponenten stammten aus russischer Produktion. Die 35 Meter lange und mit circa 200 Tonnen schwerste Interkontinentalrakete im Besitz einer Armee soll bereits in diesem Herbst an die russischen Nuklearstreitkräfte ausgeliefert werden. Sie kann von mobilen Stationen, aber auch aus festen Silos abgefeuert werden.
In Twitter werden mittlerweile Flugzeiten der „Sarmat“ zu Hauptstädten in Europa und Nordamerika verbreitet, zwischen 100 und 1.000 Sekunden. Auch nachdem russische Medien intensiv über den Test berichtet haben.
Der ehemalige Russland-Chef der CIA Steve Hall bezeichnete den Raketentest im Gespräch mit CNN als "nukleares Säbelrasseln". Es handle sich um einen Versuch Putins, vor der eigenen Bevölkerung Stärke zu demonstrieren und von den jüngsten Fehlschlägen in der Ukraine abzulenken - etwa dem Sinken des Kriegsschiffs "Moskwa". Pentagon-Sprecher Kirby erklärte, die US-Regierung werte den jüngsten russischen Raketentest nicht als "Bedrohung für die USA oder ihre Verbündeten". Moskau habe Washington entsprechend seiner Verpflichtungen aus internationalen Abkommen über den Test "ordnungsgemäß informiert", sagte Kirby. "Es war keine Überraschung."
Der Münchner Raketenexperte Markus Schiller sagte der "Welt", es habe zuvor lediglich kleinere Testflugversuche gegeben. Dieser Test war demnach die erste Langstreckenmission. Er bezeichnete die „Sarmat“ als eine Art "Weltzerstör-Rakete", weil sie mehrere große Atomsprengköpfe tragen könne. Schiller geht davon aus, dass Putin den Einsatz der Interkontinentalrakete hauptsächlich als Drohgebärde für den Krieg in der Ukraine nutzen will. Er schätzt, dass die Vorbereitungen für den Raketentest bereits Monate zurückliegen. Flugversuche seien praktisch überfällig, wenn die Rakete wie angekündigt im Herbst regulär zum Einsatz kommen soll. Der Physiker Moritz Kütt vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg sagte dem Spiegel: „Im Grunde könnte man so eine Rakete zum Mond schicken.“
Die Sarmat-Rakete zählt zu einer Reihe von Waffen, die Putin im Jahr 2018 präsentiert hatte. Damals stellte er auch Hyperschallraketen vom Typ Kinzhal und Avangard vor. Kinzhal-Raketen waren nach russischen Angaben im Konflikt mit der Ukraine erstmals eingesetzt worden.
Anfang März hatte US-Präsident Biden beschlossen, einen für diese Woche geplanten Test einer Minuteman-III-Interkontinentalrakete zu verschieben. Pentagon-Sprecher John Kirby meinte, man habe diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen, „sondern um zu zeigen, dass wir eine verantwortungsvolle Atommacht sind“. Die US-Luftwaffe testet jährlich vier Minuteman-III-Raketen, die einem präzisen Szenario folgen, Jahre im Voraus geplant sind und deren Testdaten publiziert werden. Die Testraketen sind nicht mit Sprengköpfen, sondern mit Attrappen bestückt. Sie werden jeweils vom Luftwaffenstützpunkt Vandenberg in Kalifornien gestartet und schlagen in der Nähe des Kwajalein-Atolls im Pazifischen Ozean auf. Ein neuer Termin stand Anfang März noch nicht fest. rb
Bearbeitungsstand: 29. April 2022
Quellen:
Gehriger U: USA verschieben Atomraketen-Test, Die Weltwoche, 03.03.2022
Klingler A: Russland testet neue Interkontinentalrakete Sarmat - wie gefährlich ist sie? web.de, 22.04.2022
Prien L: Putin droht: Neue russische Rakete soll Ziele weltweit erreichen – samt Atomsprengköpfen, Merkur, 23.04.2022
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