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SIPRI’s Vorschläge für Rüstungskontrollverträge der Zukunft

Neue und alte Verifizierungssysteme für eine atomwaffenfreie Welt

17.04.2023

Das Friedensinstitut „Stockholm International Peace Research Institute“ (SIPRI) schlägt in seinem Papier „Operationalisierung der Verifizierung nuklearer Abrüstung“ (2019) die Zusammenlegung neuer und alter Verifizierungssysteme vor, um unter dem Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) auf das Ziel einer atomwaffenfreien Welt hinzuarbeiten.

Bei Betrachtung der atomaren Arsenale der Atommächte wird ein „sehr beunruhigender Trend“ wahrgenommen, so der SIPRI-Forscher Wilfred Wan. Eine Modernisierung und Ausweitung atomarer Arsenale weltweit wird angestrebt, insbesondere aufgrund der nuklearen Drohungen Russlands im Kontext des Ukrainekrieges.

Um die Gefahr einer atomaren Eskalation zu minimieren waren schon früher, zum Beispiel zu Zeiten des Kalten Krieges, Abkommen und Verträge ein praktizierter Ansatz. Als jedoch der russische Präsident Wladimir Putin im Februar 2023 die Teilnahme Russlands an dem bilateralen Rüstungskontrollvertrag „New START“ suspendierte, ging der letzte große Vertrag dieser Art zwischen der USA und Russland verloren. Auch die Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) kritisiert diese Haltung stark und stellt fest, „es sei zwingend notwendig, dass die Atomwaffenstaaten offiziell auf einen Atomwaffeneinsatz verzichteten“ und die Suspendierung „beschreibe das genaue Gegenteil“.

Die Autor*innen nahmen diesen Trend schon in ihrem Papier im April 2019 wahr. Auch der Kontext der politischen Spannungen zwischen Russland und der USA war ihnen schon damals bewusst und zusätzlich betonen sie die Bedeutsamkeit der Entwicklung verschiedener, sich überschneidender Verifizierungssysteme innerhalb von Rüstungskontrollverträgen in der Zukunft, um das Langzeitziel einer gänzlichen Eliminierung von Atomwaffen zu erreichen.

Hierzu schlägt SIPRI eine Vereinigung der verschiedenen Systeme unter dem AVV vor. Die Autor*innen betonen die Bedeutung von alten Rüstungskontrollverträgen, wie zum Beispiel dem Mittelstreckenraketenvertrag (INF-Vertrag), welcher ein Überprüfungssystem einführte, das unter anderem einen umfassenden Datenaustausch über alle gemeldeten Einrichtungen, einschließlich der Anzahl der Trägerraketen und der darin befindlichen Flugkörper, vorsah. Auch damalige Kooperationsinitiativen, wie ökonomische und technische Hilfe der USA für Russland und andere Staaten der Sowjetunion resultierend aus dem Nunn-Lugar-Gesetz, oder auch die Überprüfung der Nicht-Verbreitung durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) seit 1957 trugen entscheidend zur Einhaltung solcher Verträge und Abkommen bei. Weiterhin sind die Autor*innen überzeugt, dass Nicht-Atomwaffenstaaten eine entscheidende Rolle bei der Überprüfung nuklearer Abrüstungsprozesse spielen können.

Diese historische Basis soll durch verschiedene neue Verifizierungssysteme bzw. -regime erweitert werden, wie einer größeren Rolle für die IAEO mit einer Ausweitung ihrer Berechtigungen und Aktivitäten zur Kontrolle. Das wären zum Beispiel Einrichtungen, die nukleares Material produzieren oder auch umwandeln. Weiterhin wird eine Erweiterung des Überprüfungsumfangs gefordert, die die Kapazitäten (d.h. Sprengköpfe und Trägersysteme), Nuklearmaterialien und alle relevanten Einrichtungen umfassen würden, wie zum Beispiel die Demontage von nuklearen Sprengköpfen und der dazugehörigen Infrastruktur, aber auch der Produktion und des Bestandes spaltbarer Materialien wie Plutonium. Zuletzt fordern sie auch die Beachtung einer Balance zwischen kosteneffizienten und gleichzeitig nachhaltigen Verifizierungsprozessen und betonen vor allem die Rolle der Zivilgesellschaft.

Aus der Kombination dieser neuen und alten Verifizierungs- und Überwachungssystemen erhoffen sich die Autor*innen, sobald sich dafür der politische Kontext öffnet, das langfristige Ziel einer atomwaffenfreien Welt zu erreichen.  sfb

Quellen:
SIPRI-Papier: Operationalisierung der Verifizierung nuklearer Abrüstung, Tytti Erästö, Ugnė Komžaitė, Petr Topychkanov, April 2019
Spiegel: Nuklearmächte modernisieren ihre Arsenale, F. Collini, 13.06.2022
IPPNW: Ein Jahr Ukrainekrieg: Atomkrieg verhindern – Völkerrecht achten, Pressemitteilung, 22.03.2023
Atomwaffen A-Z: Russland setzt Teilnahme an New START aus, xh, 22.02.2023

 

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