31.10.2016
Am 27. Oktober 2016 stimmte in New York die überwältigende Mehrheit der Staatengemeinschaft im Ersten Ausschuss der UN-Generalversammlung für die Aufnahme von Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot. Auf Antrag Österreichs, Brasiliens, Südafrikas, Irlands und Nigerias – mit der Unterstützung von 57 Staaten – stimmte der UN-Ausschuss für Abrüstung und internationale Sicherheit darüber ab. 123 Staaten votierten für Resolutionsentwurf L.41 und somit für das Mandat, bereits im März, Juni und Juli 2017 eine entsprechende UN-Konferenz einzuberufen. 38 Staaten, angeführt von Russland, den USA und den meisten NATO-Staaten, stimmten dagegen, 16 Staaten enthielten sich der Stimme.
Am Ende des Prozesses soll ein Vertrag stehen, dessen Unterzeichner auf Nuklearwaffen komplett verzichten - und die sich dazu verpflichten, keinerlei direkte oder indirekte Unterstützung für nukleare Ambitionen anderer Staaten zu leisten, sei es durch Zulieferungen oder Bankkredite. Der Vertrag soll Atomwaffen ächten und damit auch stigmatisieren. Zunächst wird erwartet, dass nur die bereits atomwaffenfreien Staaten den Vertrag aushandeln. In einem zweiten Schritt sollen sich die Atomwaffenstaaten darauf einigen, ihre Atomwaffen zu eliminieren und sich danach dem Vertrag anschließen.
Die Internationale Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die lange auf dieses Ergebnis hinarbeitete, nannte die Abstimmung in den UN „eine abrüstungspolitische Revolution“. Noch nie hätten es die atomwaffenfreien Staaten gewagt, die Atomwaffenstaaten und ihre Alliierten in einer solchen Frage zu überstimmen. Die Entscheidung stelle auch eine neue weltpolitische Weichenstellung dar.
Der Druck seitens der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, welche, mit Ausnahme von China, ihren Status als Atommächte verteidigen wollen, war zuvor sehr stark. In einem internen Brief an die militärischen Verbündeten in der NATO forderten die USA dazu auf, „gegen die Beschlussvorlage zu stimmen“ und falls diese eine Mehrheit erhalten sollte, „an künftigen Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot nicht teilzunehmen“. Die UN-Resolution sieht Verhandlungen über ein Abkommen zum weltweiten Verbot der Herstellung, des Besitzes und des Einsatzes von Atomwaffen vor. Es wird im Papier angenommen, dass künftige Vertragsstaaten sich zudem verpflichten würden, die Stationierung von Atomwaffen fremder Mächte auf ihrem Territorium zu beenden, den Transport von Atomwaffen über ihr Land zu unterbinden und sich in militärischen Bündnissen mit anderen Staaten nicht mehr an Nuklearwaffenpolitik zu beteiligen. Die US-Regierung warnt, ein Verbot würde „zu einem Ende der gemeinsamen Nuklearpolitik der NATO sowie der atomaren Schutzgarantien der USA für ihre Verbündeten in Europa und in der Pazifikregion führen“ und die weitere Geschäftsgrundlage für die Allianz infrage stellen.
Deutschland folgte der Empfehlung der USA und votierte mit Nein. Deutschlands Vertreter im Ausschuss argumentierte, die Bundesregierung fühle sich dem Ziel einer atomwaffenfreien Welt zwar verpflichtet, bezweifelte aber den Sinn der Initiative für ein Verbot. In einer Antwort auf die Frage vom Journalisten Tilo Jung während der Bundespressekonferenz, schloss die Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Frau Chebli, eine Teilnahme an den Verhandlungen im nächsten Jahr jedoch nicht aus und sagte, die Bundesregierung würde Gespräche nicht boykottieren. „Wir waren mit im Prozess vom Beginn an dabei und wir werden das auch weiter tun“, sagte sie.
Am gleichen Tag forderte das Europaparlament alle EU-Mitgliedsstaaten dazu auf, für die Verhandlungen zum Atomwaffenverbot zu stimmen. Unter den EU-Mitglieder stimmten – außer den beiden europäischen Antragssteller Österreich und Irland – nur wenige dafür. Als einziges NATO-Mitglied enthielten sich die Niederlande der Stimme. Eine große Überraschung war die Ja-Stimme Nordkoreas sowie die unerwarteten Enthaltungen von China, Indien und Pakistan. xh (Quellen: taz; ICAN; Süddeutsche Zeitung; Tilo Jung)
Bild oben: Erster Ausschuss der UN-Vollversammlung in New York, 27. Okt 2016. Foto: Xanthe Hall/IPPNW
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