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Israel

„De-Facto“-Atomwaffenstaat | "de facto" Nuclear Weapon State

Israel ist kein offizieller „Atomwaffenstaat“. Dennoch verfügt das Land Schätzungen zufolge über ca. 90 Nuklearwaffen und ein hoch entwickeltes Trägersystem. Obwohl die westliche Welt den Erwerb von Kernwaffen durch andere Staaten streng verurteilt, duldet sie den israelischen Besitz von Nuklearwaffen. Das Land hält jegliche Informationen über sein Atomwaffenprogramm streng geheim.

Im Jahr 1986 gab der israelische Atomtechniker Mordechai Vanunu Details über Israels Atomwaffenprogramm an die britische Presse weiter. Im November 1999 veröffentlichte die populäre Tageszeitung "Yediot Ahronot" Auszüge aus mehr als 1.200 Seiten von Vanunus Abschriften. Informationen zur israelischen Atomwaffenentwicklung basieren vor allem auf diesen Dokumenten. Sie belegen, dass Israel mit Hilfe von Frankreich in Dimona einen Atomreaktor und eine Plutoniumherstellungsanlage baute.

Seit den 1980er Jahren ist das F-16-Flugzeug das wichtigste in der israelischen Luftwaffe. Israel hat über 200 davon in allen verschiedenen Typen von den USA gekauft, die das Flugzeug als Atomwaffenträger verwenden. Deshalb wird vermutet, dass ein Atomwaffeneinsatz aus der Luft wahrscheinlich mit F-16-Bombern erfolgen würde. Seit 1998 steht dem Land hierfür noch zusätzlich der Langstreckenbomber Boeing F-15E Strike Eagle mit einer Reichweite von 4 450 Kilometern zur Verfügung. Die Flugzeugflotte wird seit 2016 mit der Lieferung US-amerikanischer F-35A-Flugzeuge erweitert. Ende September 2021 waren 30 Stück ausgeliefert.

Ergänzend bestellte Israel bei der deutschen Firma ThyssenKrupp Marine Systems mehrere U-Boote der Dolphin-Klasse, die ebenfalls mit Atomwaffen ausgerüstet werden könnten. Außerdem soll Israel auch seine Waffensysteme weiterentwickeln: so wird von der Arbeit an einem nuklearen Sprengkopf für seegestützte Marschflugkörper und an Langstreckenraketen mit einer Reichweite von 4.000 Kilometern berichtet.

Israel hat kein ziviles Atomenergieprogramm. Im Januar 2007 wurde ein solches zwar diskutiert, nach dem Reaktorunglück in Fukushima sagte Premierminister Benjamin Netanjahu 2011 allerdings, dass sein Land in den kommenden Jahren keine Energie durch Kernkraftwerke gewinnen werde. Seit 2015 überdenkt das Ministerium für Infrastruktur, Energie und Wasserressourcen die Gewinnung von Nuklearenergie zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 25%.

Israel verfolgt seit der Veröffentlichung von Informationen zu seinem Atomprogramm eine Strategie, die als ‚nukleare Zweideutigkeit‘ (engl. nuclear ambiguity) beschrieben wird: die Regierung gibt den Besitz von Kernwaffen nicht zu, streitet diesen gleichzeitig aber auch nicht ab. Hierzu bedient sich die Staatsführung zusätzlich einer Phrase, die zeigt, wie komplex die Nuklearsituation im Nahen und Mittleren Osten ist: "Israel wird nicht der erste Staat im Nahen Osten sein, der Atomwaffen einführt".

Im März 2008 drohte die Arabische Liga den Atomwaffensperrvertrag zu kündigen, falls Israel den Besitz von Atomwaffen offiziell zugeben werde. Wenn der UN-Sicherheitsrat nicht eingeschaltet werde, um Israel zur Aufgabe seiner Atomwaffen zu bewegen, würden alle Mitglieder den Vertrag verlassen.

Es wird allgemein angenommen, dass Israel seine Atomwaffen nur in einer extremen Situation der Selbstverteidigung einsetzen würde, bei der die Existenz des Staates auf dem Spiel stünde. Das nennt man “die Samson-Option” nach der biblischen Geschichte von Samson, der die Säulen des Königspalastes einriss, um die Philister zu vernichten. Dabei wurde auch er selbst unter den Trümmern begraben.

Das 2010 angenommene Abschlussdokument der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag sah vor, bis spätestens 2012 eine Konferenz über die Einrichtung einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Mittleren Osten abzuhalten. Finnland erklärte sich dazu bereit, das Treffen zu organisieren und in Helsinki auszurichten. Trotz intensiver Bemühungen konnte Finnlands Außenstaatssekretär Jaakko Laajava aber nicht erreichen, dass sich alle Staaten der Region zu einer Teilnahme bereit erklärten. Bei der Überprüfungskonferenz 2015 versuchten die arabischen Staaten erneut vergeblich, einen Termin herbeizuführen. Der Versuch brachte schließlich sogar die gesamte Konferenz zum Scheitern, da Israel seine Zustimmung verweigerte. xh / sb
 

Bearbeitungsstand: Dezember 2022

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