30.03.2023
Am 25. März 2023 kündigte Präsident Wladimir Putin an, dass Russland die Stationierung von Atomwaffen in Belarus vorbereite. Das Depot für diese taktischen Atomwaffen solle bis zum 1. Juli 2023 fertiggestellt werden. Die Trägersysteme wie belarussische Flugzeuge und Iskander-Raketen seien bereits vorhanden. Belarussisches Militärpersonal werde ab April für den Einsatz der Atomwaffen ausgebildet, jedoch blieben die Atomwaffen in russischem Besitz. Putin behauptet seine Entscheidung sei aufgrund der Praxis der nuklearen Teilhabe der NATO gerechtfertigt und vertritt die Auffassung, der Schritt sei mit der russischen Verpflichtung zur Nichtverbreitung vereinbar.
Die Entscheidung kam nicht gänzlich überraschend. Bereits im Februar 2022 hatte ein Referendum in Belarus mit einer Änderung der Verfassung, um den atomwaffenfreien Status des Landes zu revidieren, stattgefunden. Besonders aus den Ländern im westlichen BündnisTrotzdem kam scharfe Kritik. Auch viele Partnerorganisationen der Internationalen Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) verurteilen die Ankündigung.
Die Ankündigung wird im Westen als Eskalationsschritt gewertet. Während Putin und andere russische Politiker schon mehrfach vor einem nuklearen Einsatz gewarnt haben und Putin eine Aufstockung der „Abschreckungsstreitkräfte“ angeordnet hat – Aussagen die als Drohungen verstanden wurden – ist die aktuelle Ankündigung der Atomwaffenstationierung der erste praktische Schritt, der zu einem Einsatz führen könnte, denn bisher wurden die taktischen Atomwaffen nicht aus ihren Zentrallagern bewegt.
Allerdings ist noch keine Atomwaffe in Belarus stationiert und manche Expert*innen bezweifeln, dass ein solches Depot so schnell gebaut werden kann. Marc Finaud von der französischen Organisation ‚Initiatives pour le désarmament nucléaire‘ meint: „Bislang gibt es keine Anzeichen für diese Bauarbeiten. Es scheint relativ unwahrscheinlich, dass sie in drei Monaten abgeschlossen werden könnten.“ Der unabhängige russische Experte Pavel Podwig ist noch skeptischer: „Es ist sehr unwahrscheinlich - meines Erachtens unmöglich -, dass tatsächlich Kernwaffen nach Belarus gebracht werden.“
Die nukleare Rhetorik Russlands hat jedoch Folgen. Jeffrey Lewis, ein US-amerikanischer Atomwaffenexperte sagt, dass diese Rhetorik die Forderung nach Abschreckung auch in den NATO-Ländern erhöht. ICAN erinnert daran, dass taktische Atomwaffen keineswegs nur klein und harmlos seien. Diese Waffen können bis zu 100 Kilotonnen (KT) Sprengkraft haben. Im Vergleich dazu hatte die Atombombe, die Hiroshima zerstörte und hunderttausende Menschen tötete, eine Sprengkraft von nur ca. 12,5 Kilotonnen. Auch die Frage der Stationierung taktischer Atomwaffen in NATO-Ländern wird seit der Ankündigung Russlands thematisiert. ICAN erklärt: „Die Tatsache, dass die USA auch in Europa im Rahmen der nuklearen Teilhabe Atomwaffen stationieren, rechtfertigt dieses Vorgehen Russlands nicht. Die nukleare Teilhabe sollte im Interesse der Deeskalation in ganz Europa beendet werden. Auch die in Rheinland-Pfalz stationierten Atomwaffen sollten abgezogen werden.“ Die von über 70 Organisationen unterstützte deutsche Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ fordert eine Beendigung der nuklearen Teilhabe: „Denn mit der nuklearen Teilhabe wird nach Auffassung der Kampagne der Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen verletzt, der nicht nur die unmittelbare, sondern auch eine mittelbare Weitergabe von Atomwaffen an Nicht-Atomwaffenstaaten verbietet.“
Beim Gipfeltreffen zwischen Putin und Xi am 21. März 2023 bestätigten beide Staatsführer die sogenannte Reagan-Gorbatschow-Formel: „Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf daher nie geführt werden“. Anfang Januar 2022 hatten alle fünf in dem Nichtverbreitungsvertrag (NVV) genannten Atomwaffenstaaten eine Erklärung mit dieser Aussage veröffentlicht. Im neuen gemeinsamen Statement von Russland und China rufen Putin und Xi alle Unterzeichnenden der Erklärung auf, „sich an das Konzept der Erklärung zu halten, das Risiko eines Atomkriegs wirksam zu verringern und jeden bewaffneten Konflikt zwischen Atomwaffenstaaten zu vermeiden. Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Beziehungen zwischen den Kernwaffenstaaten sollten Maßnahmen zur Verringerung strategischer Risiken organisch in die allgemeinen Bemühungen zum Abbau von Spannungen, zum Aufbau konstruktiverer Beziehungen und zur Minimierung von Konflikten im Bereich der Sicherheit integriert werden. Alle Kernwaffenstaaten sollten auf die Stationierung von Kernwaffen im Ausland verzichten und im Ausland stationierte Kernwaffen abziehen.“
Die deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) weisen darauf hin, dass der UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen (AVV) die Stationierung auf fremden Territorien untersagt. Dazu heißt es in der Pressemitteilung der IPPNW: „Allerdings erkennt Russland wie auch die anderen Atomwaffenstaaten und Verbündeten den Vertrag noch nicht an. Problematisch ist auch, dass die USA ebenfalls Atomwaffen in Deutschland, Belgien, Italien, den Niederlanden und der Türkei stationiert.“ Die IPPNW verurteilt die Ankündigung Putins und ruft die Bundesregierung auf, ihrerseits das Atomwaffenverbot anzuerkennen. xh
Quellen:
AFP: Russian plan for nukes in Belarus raises questions, France24, 27.03.2023
Devonshire-Ellis C: The Putin-Xi-Summit – Their Joint Statement and Analysis, China Briefing, 22.03.2023
ICAN Deutschland: ICAN verurteilt nukleare Drohung und massive Eskalation, Pressemitteilung, 25.03.2023
IPPNW: “Nukleare Erpressung ist verboten”, Pressemitteilung, 26.03.2023
Kampagne atomwaffenfrei.jetzt: Atomwaffen in Belarus verhindern, Pressemitteilung, 26.03.2023
Ljunggren D: Putin says Moscow to place nuclear weapons in Belarus, US reacts cautiously, Reuters, 26.03.2023
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