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INF-Vertrag

Vertrag zur Eliminierung von Kurz- und Mittelstrecken Raketen

INF steht für "Intermediate-Range Nuclear Forces", die englische Abkürzung für Nuklearwaffensysteme mit mittlerer Reichweite. Der vollständige Name des bilateralen Vertrags lautet: „Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite”.

Im INF-Vertrag von 1987 wurden (erstmals) zwei Waffenkategorien vollständig eliminiert: Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 Kilometern samt den dazugehörenden Startgeräten und der benötigten Infrastruktur. Die bereits stationierten Systeme wurden nicht nur zerstört, sondern die Produktion und Flugerprobung der INF relevanten Systeme ist seitdem verboten und wird überwacht.

Am 8. Dezember 1987 unterzeichneten Generalsekretär Michail Gorbatschow (Sowjetunion) und Präsident Ronald Reagan (USA) in Washington den INF-Vertrag über den vollständigen Abbau dieser Waffen. Am 1. Juni 1988 trat der Vertrag in Kraft.

Es gab immer wieder den Vorschlag, diesen bilateralen Vertrag auch auf Länder auszudehnen, die Raketen in diesem Reichweitenspektrum besitzen. Bisher zeigten die anderen Länder - China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Iran - keine Interesse.

Der Vertrag war der Wendepunkt für die Rüstungskontrolle im Kalten Krieg. Es wurden nicht nur zwei Kategorien nuklearer Trägersysteme komplett eliminiert, sondern auch ihre Startgeräte, Operationsinfrastruktur und Produktionsbasis. Auch akzeptierte die Sowjetunion erstmalig "Vor-Ort-Inspektionen". Innerhalb von drei Jahren wurden knapp 2.700 Trägersysteme zerstört. Ca. 10 Jahre lang wurden "Vor-Ort-Inspektionen" durchgeführt. Die Vertragsverpflichtungen wurden 2001 vollständig umgesetzt. Am 1. Februar 2019 erklärte US-Außenminister Mike Pompeo, die USA setze ab dem 2. Februar ihre Verpflichtungen aus dem INF-Vertrag aus und leite das Verfahren zum Austritt aus dem Vertrag ein. Gleich am nächsten Tag zog Russland nach und erklärte seinerseits, die Einhaltung des Vertrags auszusetzen. Somit wurde der Vertrag am 2. August 2019 komplett außer Kraft gesetzt.

Im Oktober 2018 erklärte US-Präsident Donald Trump öffentlich, dass er den Vertrag aufkündigen wolle.

Bearbeitungsstand: Januar 2024

► A-Z Factsheet zum Herunterladen, Februar 2019

Chronik des INF-Vertrags

1977

Frühjahr Die Sowjetunion beginnt mit der Stationierung von SS-20-Raketen in Osteuropa. Diese Raketen verfügen über Mehrfachsprengköpfe (MIRV) und sind auf Ziele in Westeuropa gerichtet.

1979

NATO-Doppelbeschluss wird beschlossen, 1979, Foto: NATO12.12. Die NATO beschließt eine zweigleisige Antwort auf die SS-20 Stationierung (NATO-Doppelbeschluss). Der Beschluss sieht Verhandlungen mit der UdSSR über den Abbau der Mittelstreckenraketen vor. Bei einem Scheitern der Gespräche wollen die USA aber nach vier Jahren - also Ende 1983 - atomare Mittelstreckenraketen in Europa stationieren.

1980

17.10.-17.11. Erste INF-Vorgespräche zwischen den USA und der Sowjetunion finden in Genf statt.

1981

18.11. Die USA bringen den „Null-Lösung“ Vorschlag ein. U.S. Präsident Reagan regt an, die U.S.-amerikanischen Pläne zur Aufstellung von INF-Raketen zu stoppen, wenn die SU ihre SS-4, SS-5 und SS-20 eliminieren. Moskau lehnt ab, eröffnet aber die Chance, neue Stationierungen einzufrieren.

30.11. Die INF-Verhandlungen werden eröffnet. Die USA streben eine Eliminierung aller atomaren Langstreckenraketen.

1982

25.05. Die Sowjetunion legt bei der 2. Abrüstungsrunde in Genf einen INF-Vorschlag vor. Demnach sollen die Höchstwerte für Mittelstrecken-Raketen und Flugzeuge, die Atomwaffen transportieren können, in Europa bei 300 liegen. Die britischen und französischen Atomwaffen sollen in die Gesamtzahl der USA einfließen.

Juni/Juli Während eines Ausflugs in die Genfer Wälder entwerfen Paul Nitze und Juri Kwitsinskj - die U.S.-amerikanischen und sowjetischen Unterhändler - ein informelles Paket eines möglichen INF-Vertrages. Das  sogenannte „Waldspaziergang“-Angebot bevorzügt die USA und sieht vor, dass:

  • Gleiche Anzahl von INF-Raketenträger, d.h. eine Reduzierung der SS-20 und eine Neustationierung von US-Marschflugkörper;
  • Keine Stationierung der Pershing-II Raketen;
  • Stationierung von max. 90 sowjetischen SS-20 im asiatischen teil der SU.

Moskau lehnt das „Waldspaziergang“-Angebot allerdings im September ab.

21.12. Der Generalsekretär der KPdSU Andropow gibt bekannt, dass die Sowjetunion bereit sei, ihre Mittelstreckenraketen auf die Anzahl der britischen und französischen Systeme, insgesamt 162 Raketen, zu reduzieren. Im Gegenzug sollten die USA auf die Nachrüstung verzichten. Entsprechende RSD-10-Raketen sollten aber nicht eliminiert werden, sondern würden außerhalb der Reichweite der Raketen in die östliche Sowjetunion verlagert. Die NATO lehnt jedoch die Einbeziehung der britischen und französischen Stretikräfte strikt ab.

1983

Februar Die USA wiederholen ihre Kriterien für ein INF-Abkommen, wie sie bereits im November 1981 verlautet wurden.

30.03. Die USA kündigen an, dass sie ein Interimsabkommen akzeptieren würden. Das Abkommen sollte Grenzen für INF-Raketenwerfer zwischen 50 und 450 festlegen. Moskau lehnt ab.

27.10. Auf einem NATO-Treffen einigen sich die Alliierten darauf, die Atomwaffen der Allianz auf einen Level zu reduzieren, der die Abschreckungsfähigkeit nicht beeinflusst.

22./23.11. Der deutsche Bundestag stimmt für die Stationierung von Pershing-II Raketen zu. Die Sowjetunion ziehen sich daraufhin aus den INF-Verhandlungen zurück.

1984

24.11. Die USA und die SU kommen überein, Gespräche über Probleme der Atomwaffen und des Weltraums (NST) zu führen.  

1985

07./08.01. Die Außenminister Shultz (USA) und Gromyko (UdSSR) wollen die INF-Gespräche als Teil der Gespräche über Atomwaffen und den Weltraum (NST) wieder aufnehmen.

12.03. Die NST-Gespräche beginnen. Die USA wiederholen ihren Vertragsentwurf von 1983. Die Sowjetunion behält ihre Position bei. Gorbatschow kündigt allerdings ein Moratorium für die Stationierung von INF an.

03.10. Gorbatschow stellt in Paris einen Gegenentwurf zum Vorschlag der USA vor. Darin geht es um das Einfrieren der Stationierung von INF-Raketen. Gorbatschow gibt an, dass ältere SS-4 aussortiert werden und einige SS-20 von Gefechtsstatus heruntergefahren werden.

01.11. Die USA gehen auf das Angebot der Sowjetunion ebenfalls mit einigen Vorschlägen ein. Darunter die Begrenzung der INF-Raketenwerfer für die USA und die Sowjetunion auf 140 in Europa und die Begrenzung 420-450 Sprengköpfe

1986

15.01. Gorbatschow kündigt eine Abrüstungsinitiative für Europa an. Bis 2000 sollen alle INF-Raketen eliminiert werden.

23.02. US-Präsident Reagan antwortet auf den Vorschlag Gorbatschows mit einer überarbeiteten Version der „Null-Lösung“. Nun ist die totale Eliminierung aller Pershing-II, GLCMs und SS-20 bis 1990 vorgesehen.

04.03. Die USA schlagen uni- und bilaterale Verifikationsmechanismen vor (Datenaustausch).

11./12.10. Auf dem „Gipfel von Reykjavik“ kommt es zu einer Einigung. Die Anzahl von INF-Sprengköpfen soll auf 100 „eingefroren“ werden. Moskau stimmt auch einigen Verifikationsmaßnahmen die die USA vorgeschlagen haben zu.

1987

28.02. Russland entkoppelt die INF-Gespräche von einer Lösung im Streit um Raketenabwehr und ebnet somit den Weg für ein separates INF-Abkommen.

22./23.07. Die Sowjetunion deutet die Zustimmung zur Eliminierung aller INFs in Europa und Asien an.

26.08. Die Bundesregierung kündigt die Demontage von 72 Pershing-II Raketen an.

15.-17.09. Die Außenminister George Shultz und Eduard Schewardnadse kündigen den Aufbau eines „Zentrums zur Reduzierung des nuklearen Risikos“ an. Das Zentrum soll dem Informationsaustausch dienen.

1988

27.05. Der US-Senat ratifiziert den INF-Vertrag. Die Sowjetunion folgt einen Tag später. 

01.06. Der INF-Vertrag tritt in Kraft.

01.09 Die ersten neun von 40 Pershing-Raketen verlassen Deutschland.

1989

August Die ersten Cruise Missiles werden von Greenham Common abgezogen. Der Abzug wird im März 1991 vollendet.

1990

27.09. Die letzten Pershing-II-Raketen verlassen Deutschland

1994

31.11. Die USA, Russland, Kasachstan, Weißrussland und die Ukraine unterzeichen ein Abkommen, dass die Fortsetzung des INF-Vertrages regelt.

2007

15.02. Russland spricht zum ersten Mal von der Möglichkeit, den INF-Vertrag zu kündigen, falls die USA ihre Pläne umsetzen, Raketenabwehrkomponenten in Polen und der Tschechischen Republik zu stationieren.

2018

20.10. US-Präsident Donald Trump erklärt öffentlich, dass Russland sich nicht an den Vertrag halte und er diesen deshalb aufkündigen wolle.

04.12. kündigte Außenminister Mike Pompeo an, die US-Administration würde in 60 Tagen beginnen, den Austrittsprozess in Gang zu setzen, es sei denn, Russland würde die Bestimmungen des Vertrages wieder einhalten.

2019

01.02. US-Außenminister Mike Pompeo erklärt, die USA setze ab dem 2. Februar ihre Verpflichtungen aus dem INF-Vertrag aus und leite das Verfahren zum Austritt aus dem Vertrag ein. Gleich am nächsten Tag zog Russland nach und erklärte seinerseits, die Einhaltung des Vertrags auszusetzen.

02.08. Der INF-Vertrag wurde komplett außer Kraft gesetzt und ist damit Geschichte.

Im Wortlaut

Links

Anzeige in der Washington Times am 25.01.1988, die den INF-Vertrag mit Chamberlains Beschwichtigungspolitik gegenüber Hitler in 1938 vergleicht (Quelle: US National Archives).

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