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Osiris-Reaktor

Am 7. Juni 1981 griffen israelische Flugzeuge überraschend den irakischen Kernreaktor Osiris an. Während der israelische Ministerpräsident Menachem Begin sein Kabinett informierte, waren die israelischen Flugzeuge längst unterwegs nach Tuwaitha am Tigris, etwa 20 Kilometer südöstlich von Bagdad, an der Straße nach Basra. Begin hatte der Luftwaffe den Befehl gegeben, den irakischen Nuklearkomplex zu zerstören.

Um 17.35 Uhr mitteleuropäischer Zeit fielen die Bomben. Jacques Rimbaud, ein französischer Techniker der in Tuwaitha tätigen Baufirma Bouygues, saß gerade bei einem Aperitif auf der Terrasse eines Cafes in der Nähe der Anlage. Nach seiner Rückkehr erzählte er in Paris: »Wenn man die Bauarbeiten da unten wieder aufnehmen wollte, müsste man zuerst alles abreißen ... Ich habe genau gesehen, wie vier Militärmaschinen zweimal über die Anlage hinwegflogen und insgesamt vier Bomben abwarfen. Der ganze Angriff hat keine zehn Sekunden gedauert. Die Präzision der Bombardierung schien mir unglaublich: Das Zentralgebäude ist zerstört, der Kernreaktor beschädigt, der strahlensichere Schutzkeller verschwunden. Ich habe den Eindruck, dass die Bomben auf den Meter genau gezielt wurden. […] Mir scheint, dass die Israelis den Augenblick für den Angriff bewusst gewählt haben, um soweit wie möglich Menschenleben zu schonen«.

Die meisten Mitarbeiter hatten das Forschungszentrum verlassen; ein französischer Techniker und zwei Irakis kamen dennoch bei dem Angriff ums Leben. Erst nach Ende des Angriffes begann die irakische Luftabwehr zu feuern, mit Raketen und Leuchtspurgeschossen.

Amerikanische Satellitenphotos gaben dem französischen Techniker recht: »Nicht ein einziger Bombenkrater neben der Anlage war zu sehen«, berichtete ein Beamter des Pentagon. »Jede Bombe traf genau, was sie treffen sollte«.

Ein Jerusalemer Militärexperte rühmte: »Es war eine brillante Leistung, die drei Dinge voraussetzte — lückenlose Aufklärung, perfekte Planung, superpräzises Bombardement«. Die israelischen Flugzeuge mussten knapp 2000 Kilometer über das Gebiet zweier feindlicher arabischer Staaten fliegen (Jordanien, Saudi-Arabien); in einen dritten Staat (Irak) eindringen, in Minuten ein kleines Ziel punktgenau treffen, einen von Frankreich gelieferten Schwimmtank-Reaktor mit 70 Megawatt thermischer Leistung.

Die Israelis mussten ihr Ziel in Minuten knacken, bevor die radargesteuerte ZSU-23-Vierlings-Flak, die SAM-7- und SAM-9-Raketen und die Abfangjäger der Iraker eingreifen konnten. Diese Feinarbeit haben sie monatelang an einem Modell in der Wüste geübt. Es galt ja, die Abdeckung des Reaktors nicht nur zu treffen, sondern zu knacken, also den Anflugwinkel so präzise zu berechnen, dass die Bomben nicht abprallten und harmlos in der Luft verpufften. Die Bombenspitze musste sich zunächst in den Beton bohren und durfte erst nach einer kurzen Verzögerung zünden. Die nächste Maschine durfte nicht zu schnell folgen, weil der Pilot erst den Riss ausmachen und dann punktgenau treffen musste. Die Israelis benutzten selbst gefertigte, konventionelle 1000-Kilo-Bomben — freilich mit einer Spitze aus superhartem Titan, die vor der Explosion ein Loch in die Betonkuppel schlagen konnte. Das timing war kritisch. Es war kein Zufall, dass die israelischen F-15 und F-16 um 17.35 Uhr über Tuwaitha auftauchten: kurz vor Sonnenuntergang. Die Sonne stand gerade über dem Horizont. Es war also noch hell genug, um hinterher im Schutze der Dunkelheit zu entfliehen. Außerdem hatte die israelische Aufklärung vor Ort festgestellt, dass die etwa 150 französischen Techniker die Anlage regelmäßig um 17.00 Uhr verließen.

Nach der Zerstörung gab es keine Wiederaufbauversuche. 1984 stellte Frankreich seine Aufbauhilfe für den Irakischen Reaktor endgültig ein. Die Anlage wurde geschlossen und unterlag seitdem der Kontrolle durch die IAEO.

Bearbeitungsstand: November 2008

siehe auch: IAEO

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