INF-Vertrag
engl.: Intermediate Nuclear Forces Treaty, dt.: Mittelstreckenraketenvertrag
US-Präsident Ronald Reagan und sowjetischer Generalsekretär Mikhail Gorbatschow unterzeichnen den Mittelstreckenraketenvertrag am 12. August 1987.
„INF” ist die englische Abkürzung für „Intermediate-range Nuclear Forces” (nukleare Mittelstreckenwaffen). Der vollständige Name des bilateralen Vertrags lautet: „Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite”. Darunter fallen bodengestützte Raketen und Marschflugkörper (Cruise Missiles) mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometern.
Am 8. Dezember 1987 unterzeichneten Generalsekretär Michail Gorbatschow (Sowjetunion) und Präsident Ronald Reagan (USA) in Washington den INF-Vertrag über den vollständigen Abbau dieser Waffen. Am 1. Juni 1988 trat der Vertrag in Kraft.
Mit dem Vertrag wurden zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit zwei Waffenkategorien in den USA und UdSSR vollständig abgeschafft. Dabei führte die Unterzeichnung des INF-Vertrag nicht nur dazu, dass die Waffen außer Betrieb genommen wurden, sondern dass sie tatsächlich auch zerstört wurden. Die letzte Rakete wurde im Mai 1991 demontiert. Am 2. Februar 2019 wurde der Vertrag von den USA gekündigt und ist seit dem 2. August 2019 nicht mehr gültig.
Tabelle: Zerstörte bodengestützte Kurz- und Mittelstreckenwaffensysteme
Bezeichnung | Besitzer | Stückzahl |
---|---|---|
Summe | 2.692 | |
Pershing-II | USA | 234 |
BGM 109 Gryphon | USA | 443 |
Pershing-1a | USA | 169 |
SS-20 | UdSSR | 654 |
SS-4 | UdSSR | 149 |
SS-5 | UdSSR | 6 |
SS-12 | UdSSR | 718 |
SS-23 | UdSSR | 239 |
SS-X-4 | UdSSR | 80 |
[Quelle: Haradan JP: On-Site Inspections under the INF-Treaty, 1993]
Ab Mai 2001 galt der Vertrag als vollständig umgesetzt. Nach der Auflösung der Sowjetunion wurden die elf ehemaligen Sowjetrepubliken in den INF-Vertrag einbezogen.
Der Vertrag regelt nicht nur die Zerstörung von Waffensystemen sondern im Artikel VI die künftige Herstellung und Erprobung bodengestützter Flugkörper mit kurzer und mittlerer Reichweite und ihrer Abschussvorrichtungen.
Zwar war der Vertrag zeitlich unbegrenzt, beide Seiten hatten jedoch das Recht, sich vom Vertrag zurückzuziehen, wenn „außergewöhnliche, mit dem Inhalt dieses Vertrages zusammenhängende Ereignisse eine Gefährdung ihrer höchsten Interessen darstellen“ (Artikel XV). Sobald eine Vertragspartei den Vertrag formell aufgekündigt hat, gibt es eine Wartezeit von sechs Monaten, bevor der Vertrag aufgelöst wird.
Russland sprach 2007 zum ersten Mal von der Möglichkeit, den INF-Vertrag zu kündigen, falls die USA ihre Pläne umsetzen, ein Raketenabwehrsystem in Osteuropa zu stationieren. Im Jahr 2014 warfen die USA Russland zum ersten Mal Verstöße gegen den Vertrag vor und drohten ihrerseits den Vertrag zu kündigen, wenn Russland weiterhin den Vertrag verletzen würde.
Die Verschärfung dieser Debatte lief parallel zur Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Russland und der NATO aufgrund der Krise um die Ukraine, sowie dem innerpolitischen Streit über eine vermeintliche Einmischung Russlands in die US-Wahl.
Gleichzeitig wurden in beiden Ländern die Atomwaffen modernisiert. Zudem wurde die Frage erörtert, ob in Europa künftig neue unter dem INF-Vertrag unzulässige US-Waffensysteme stationiert werden sollen. Einige Stimmen in den USA – wie beispielsweise der Berater für Nationale Sicherheit, John Bolton – klagten schon länger, dass der Vertrag einer militärischen Entwicklung im Weg stehe. Weil andere nuklear bewaffnete Staaten nicht Vertragsparteien sind (v.a. China), aber Kurz- bzw. Mittelstreckenraketen besitzen, fühlten sich die US durch den Vertrag zu sehr eingegrenzt. Es wurde vermutet, dass Russland gleichermaßen handeln wollte, aber den USA bei der Aufkündigung den Vorrang ließ.
Im Oktober 2018 erklärte US-Präsident Donald Trump öffentlich, dass er den Vertrag aufkündigen wolle. Am 4. Dezember kündigte Außenminister Mike Pompeo an, dass die US-Administration in 60 Tagen beginnen würde, den Austrittsprozess in Gang zu setzen – es sei denn, Russland würde die Bestimmungen des Vertrages wieder einhalten. Am 15. Januar 2019 trafen sich Regierungsvertreter der Vertragsparteien ohne Erfolg in Genf.
Am 1. Februar 2019 erklärte US-Außenminister Mike Pompeo, die USA würden ab dem 2. Februar ihre Verpflichtungen aus dem INF-Vertrag aussetzen und das Verfahren zum Austritt aus dem Vertrag einleiten. Gleich am nächsten Tag zog Russland nach und erklärte seinerseits, die Einhaltung des Vertrags auszusetzen. Der Vertrag wurde am 2. August 2019 komplett außer Kraft gesetzt. xh
Bearbeitungsstand: Februar 2024
► Weitere Informationen zum INF-Vertrag
► INF-Vertrag im Wortlaut (PDF)
► A-Z Factsheet zum Herunterladen, Februar 2019
Quellen:
Bauer O: Das Wichtigste zum INF-Vertrag, Deutsche Welle, 01.02.2019
Bolton J: An Obsolete Nuclear Treaty Even Before Russia Cheated, 09.09.2014
Borger J: Donald Trump confirms US withdrawal from INF nuclear treaty, Guardian, 01.02.2019
Fugmann T: Anfang und Ende des INF-Vertrages, MDR, 08.12.2020
Nassauer O: Nachrüstung 2.0. 30 Jahre nach dem INF-Vertrag - Ein déj`vu? BITS, Dezember 2017 (PDF)