Atomwaffen A-Z

Ukraine

ehem. Atomwaffenstaat

Die Ukraine war neben Russland, Weißrussland und Kasachstan eine der vier ehemaligen Sowjetrepubliken, auf deren Territorium nach Auflösung der Sowjetunion Atomwaffen stationiert waren. Nach Erlangung der Unabhängigkeit befanden sich im Herbst 1991 auf dem Territorium der Ukraine insgesamt 176 strategische Interkontinentalraketen mit zusammen 1.240 Atomsprengköpfen:

  • 130 ICBMs vom Typ SS-19 mit je sechs Sprengköpfe;
  • 46 ICBMs vom Typ SS-24 mit je zehn Sprengköpfe.

Die Luftwaffe verfügte auf den Basen Chmelnizki und Perwomajsk über insgesamt 42 schwere atomwaffenfähige Tupolev-Bomber, die mit insgesamt 592 luftgestützten Cruise Missiles (ALCMs) vom Typ AS-15 ausgestattet waren. Diese Bomberflotte setzt sich zusammen aus:

  • 22 Tupolev-95 (»Bear«) mit jeweils 16 AS-15 ALCMs;
  • 20 Tupolev-160 (»Blackjack«) mit jeweils 12 AS-14 ALCMs.

In der Ukraine waren im Jahr 1991 insgesamt 1832 strategische Nuklearsprengköpfen stationiert. Darüber hinaus befanden sich ca. 3.000 taktische Atomwaffen auf ukrainischen Territorium. Damit war in der Ukraine zu jener Zeit fast 5.000 Atomwaffen vorhanden.

Nach einiger Diskussion hin und her erklärte der ukrainische Präsident Krawtschuk im Sommer 1993, dass die Ukraine doch nach der Ratifizierungsdebatte des Start-I-Vertrags und des Atomwaffensperrvertrags den Status eines atomwaffenfreien Staates anstrebe. Um dieses Ziel zu erreichen, mussten alle in der Ukraine stationierten Atomwaffen an Russland – der rechtliche Nachfolgerstaat der Sowjetunion– übergeben werden.

Der Präsident der Ukraine, Leonid D. Kutschma erklärte in einer Rede am 2. Juni 1996, Ukraine ist atomwaffenfrei. Der letzte Atomsprengkopf wurde am 1. Juni an Russland zurückgegeben. Damit hatte Ukraine seinen Teil der trilaterale Vereinbarung (USA, Russland und die Ukraine) vom 14. Januar 1994 vollzogen.

Am 4. Juni 1996 pflanzten die Verteidigungsminister aus den USA, Russland und der Ukraine—William Perry, Gen. Pavel Grachev und Valery Shmarov—Sonnenblumen in einem Feld in Perwomajsk, wo früher Atomraketensilos waren, als ein Symbol der Hoffnung. Perry sagte: „Sonnenblumen statt Raketen in der Erde werden Frieden für künftige Generationen sichern.” Seitdem pflanzen Friedensaktivisten Sonnenblumen für die nukleare Abrüstung.

Mit dem »Budapester Memorandum« 1994 verpflichteten sich die USA, Russland und Großbritannien die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Weißrussland, der Ukraine und Kasachstan zu garantieren, wenn diese im Gegenzug auf den Besitz von Nuklearwaffen verzichten würden. Auch die Volksrepublik China und Frankreich haben nachträglich ergänzende Erklärungen mit ähnlichen Inhalten abgegeben. Als Ergebnis dieser (nicht verbindlichen) Vereinbarungen wurden die in diesen Staaten noch aus Zeiten der Sowjetunion stationierten Nuklearwaffen bis zum Jahre 1996 nach Russland verbracht. In einer gemeinsamen Erklärung am 9. Dezember 2009 bestätigten die Präsidenten der USA und Russlands Obama und Medvedev diese Sicherheitsgarantien erneut.

Am 15.4.2021 drohte der ukrainische Botschafter in Deutschland öffentlich, sein Land müsse aufrüsten - eventuell auch mit Atomwaffen -, um sich gegen Russland zu verteidigen, wenn die Ukraine nicht bald Mitglied in der NATO werde.

LL/XH (Quelle: Lars C. Colschen, FAS, Kyiv Post,AP, Spiegel)

Bearbeitungsstand: April 2021

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