Atomwaffen A-Z

Jadugoda

Uranbergbau, Indien

Der Uranabbau in der Region um Jadugoda hat nicht nur maßgeblich zu Indiens atomarer Bewaffnung beigetragen, sondern auch schwere Umweltschäden verursacht. Die Mitglieder des Adivasi Stammes leiden unter der hohen Strahlenexposition in den Minen und der radioaktiven Kontamination ihrer Dörfer.

Hintergrund

Als Indien in den 1950er Jahren damit begann, nach Uranvorkommen zu suchen, um seine aufstrebende Atomindustrie mit spaltbarem Material zu versorgen, wurde es nahe des verschlafenen Dörfchens Jadugoda (auch Jadugora geschrieben) im Osten des Bundesstaats Jharkhand fündig. Etwa 35.000 indigene Adivasi leben in einem Fünf-Kilometer-Radius um die Minen. Diese Gemeinschaften mussten vielfach ihre Äcker und Reisfelder aufgeben, um den Minen Platz zu machen. 1967 begann Indiens staatliche Urangesellschaft UCIL mit der Förderung von Uranerz in der Umgebung von Jadugoda und später auch in den nahe gelegenen Dörfern Bhatin, Narwaphar und Turamidh. Etwa 5.000 bis 7.000 Menschen arbeiten dort im Uranbergbau. Zur Herstellung des Urankonzentrats „Yellowcake“, das für Indiens Atomwaffen und Atomreaktoren benötigt wird, wurde zudem eine Aufbereitungsanlage errichtet. Infolge des niedrigen Urangehalts im Gestein von nur 0,06 % produzieren die Minen um Jadugoda enorme Mengen radioaktiver Rückstände, die, gemischt mit Wasser, in riesigen Auffangbecken gelagert werden. Die Sicherheitsvorkehrungen dieser Becken sind dabei minimal und es kommt häufig zu Unfällen und Lecks. So führte beispielsweise am 24. Dezember 2006 ein Rohrbruch dazu, dass hochgiftiger flüssiger Abfall in den fünf Kilometer entfernten Fluss Subarnarekha gelangte.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Die Menschen von Jadugoda sind der Radioaktivität auf verschiedene Weise ausgesetzt: Der Abbau und die Verarbeitung von Uran produzieren radioaktiven Staub und setzen Radongas frei. Beides wird von den Minenarbeitern eingeatmet und führt zu innerer Verstrahlung. Der Transport von Uranerz auf offenen Lastwagen über unebene Straßen führt zudem zum Herunterfallen von radioaktivem Schutt, der am Straßenrand liegen bleibt und unerkannt über viele Jahre die Passanten verstrahlt.

Die Rückstände der Minen enthalten noch etwa 75–80 % der ursprünglichen Strahlung und werden in unausgekleideten und unbedeckten Becken deponiert, aus denen Radongas und Gamma-Strahlung freigesetzt werden. Dörfer wie Dumridih befinden sich direkt neben diesen Becken. In der Trockenzeit wird der Staub der Rückstände durch die Dörfer geweht und während des Monsunregens läuft radioaktiver Abfall in die umliegenden Bäche und Flüsse. Innere und äußere Verstrahlung sind die Folge, da die Dorfbewohner in Unkenntnis der gesundheitlichen Gefahren und aus Mangel an Alternativen das kontaminierte Wasser als Bade-, Wasch- und Trinkwasser verwenden. Auch wurde radioaktiver Abraum aus den Minen genutzt, um in den Dörfern Häuser und Straßen zu bauen.

2007 befragten Mitglieder der Organisation Indian Doctors for Peace and Development (IDPD) fast 4.000 Haushalte in einer groß angelegten Fall-Kontroll-Studie. Dabei wurde festgestellt, dass Kinder, die in den kontaminierten Regionen geboren wurden, im Vergleich zu Kindern aus nicht-kontaminierten Kontrolldörfern fast doppelt so viele angeborene Fehlbildungen hatten und dass diese in ca. neun Prozent zum Tode führten – eine um mehr als fünffach erhöhte Mortalitätsrate. Die Studie zeigte auch eine erhöhte Rate an Infertilität bei Paaren in den betroffenen Gebieten, eine signifikant niedrigere Lebenserwartung und eine höhere Mortalität aufgrund von Krebserkrankungen. Eine weitere Studie, die 2004 von der Universität von Kyoto durchgeführt wurde, fand erhöhte Gamma-Strahlendosen in der Region: über ein Millisievert pro Jahr zusätzlich zur natürlichen Hintergrundstrahlung in den Dörfern und bis zu zehn Millisievert pro Jahr in der Umgebung der Rückstandsbecken. Die tatsächlichen individuellen Strahlendosen werden jedoch weitaus höher liegen, da der Großteil der Gesamtdosis durch innere Strahlung verursacht werden dürfte. Man geht davon aus, dass eine zusätzliche Belastung von einem Millisievert im Jahr mit einer zusätzlichen Krebserkrankung pro 10.000 Menschen pro Jahr einhergeht. Bei einer zusätzlichen Belastung von zehn Millisievert geht man von einer zusätzlichen Krebserkrankung pro 1.000 Menschen aus.

Ausblick

Da mehrere Studien signifikante Gesundheitseffekte des Uranabbaus auf die lokale Bevölkerung gezeigt haben und diese Ergebnisse sich mit denen aus anderen Uranabbaugebieten weltweit (auch Deutschland) decken, hat der Gesetzgebende Rat von Bihar die Evakuierung der Dörfer in einem Radius von mindestens fünf Kilometern um die Minen sowie die Einführung effektiverer Sicherheitsmaßnahmen gefordert. Das war 1998. Seitdem ist nichts geschehen, der Bericht wurde weitgehend ignoriert. Stattdessen hat die Betreiberfirma UCIL Studien finanziert und veröffentlicht, die zeigen sollen, dass die Bevölkerung von Jadugoda keine Gesundheitsfolgen zu befürchten hat. Die Tragödie geht weiter. Für die Entwicklung indischer Atombomben wurden die Adivasi zu Hibakusha.

Bearbeitungsstand 2014

 

Quelle:

IPPNW: Hibakusha Weltweit, Ausstellung 2014

Atomwaffen A-Z