JUNGK Robert
1913 - 1994
Jungk wurde durch wegweisende Arbeiten in der Zukunftsforschung bekannt, insbesondere widmete er sich früh den Auswirkungen von Atomwaffen und der nuklearen Bedrohung. 1986 gewann er für sein Werk über das Bewusstsein und die Gefahren der Atomkraft den alternativen Nobelpreis.
Robert Jungk, Träger des Alternativen Nobelpreises, der ihm im Jahre 1986 in Stockholm verliehen wurde, war und ist prägend für Generationen. Sein Vermächtnis, die »Internationale Bibliothek für Zukunftsfragen« arbeitet in seinem besten Sinne weiter und findet internationale Beachtung. NGOs und ungezählte Gruppen und Personen in aller Welt sind dabei, im Sinne Robert Jungks an der Gestaltung zukunftsfähiger Gesellschaften mitzuwirken.
Robert Jungk, am 11. Mai 1913 als Jude in Berlin geboren, nahm sehr früh als Jugendlicher die heraufziehende Gefahr des Naziterrors wahr. Seine humanistische und an Gerechtigkeit orientierte Persönlichkeit brachte ihn deshalb schon mit 19 Jahren in den Widerstand. Trotz aller persönlichen Gefährdungen riss er nach dem Reichstagsbrand Naziparolen in der Berliner Humboldt-Universität ab. Einen Tag später wurde er verhaftet und kam unter glücklichen Umständen bald wieder frei ─ auch, weil der Rechtsstaat noch ein paar Stunden funktionierte.
Bedingt durch seine Ausbürgerung im Jahre 1934 betrieb er seine Widerstandsarbeit größtenteils aus dem Exil. Während des Krieges lebte er in der Schweizer Emigration. Viele seiner jüdischen Freunde kamen in Konzentrationslagern ums Leben. Sein eigenes Überleben war ihm Verpflichtung, sein Leben dem Kampf für eine bessere Zukunft zu widmen, in der Menschen ihre sozialen und humanen Fähigkeiten zur Entwicklung toleranter und gerechter Gesellschaften entfalten. Jungks Zukunftsdenken war begleitet von engagierten Warnungen vor Faschismus und Intoleranz.
Tief bewegt wurde er außerdem durch die Nachrichten über die Abwürfe der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Seinen Weltbestseller »Strahlen aus der Asche« (1963), in dem er über die Wiederauferstehung der Stadt Hiroshima nach dem Abwurf der ersten Atombombe am 6. August 1945 berichtet und zahlreiche Einzelschicksale der Überlebenden in beklemmender und beeindruckender Weise schildert, beendet er so: »Als ich nach Hiroshima reiste, kam ich als Reporter, der die interessante Geschichte einer fremden Stadt aufschreiben wollte. Aber je länger ich mich mit dieser Story beschäftigte, umso klarer wurde mir, dass ich nicht außerhalb und über ihr stand, sondern ein Teil von ihr war. Auch ich bin nämlich ein ›Überlebender‹, der, wenn es das Schicksal nicht zufällig anders gewollt hätte, in einem der Massenvernichtungslager des Dritten Reiches umgekommen wäre. Und nun suchte ich am anderen Ende der Welt, am Rande Ostasiens, Antwort auf eine Frage, die mir mein eigenes Leben gestellt hatte. Diese Frage heißt: ›Was haben wir, die Überlebenden des Zweiten Weltkriegs, bisher getan, um unsere Rettung zu rechtfertigen?‹ Ich hatte die Tatsache, verschont geblieben zu sein, jahrelang genauso gedankenlos hingenommen wie viele andere. Dann aber traf ich die Atomopfer von Hiroshima und erhielt durch sie eine Vorahnung des neuen Unheils, das auf uns zukommt. Seither weiß ich, dass wir, die Generation derer, die ›noch einmal davongekommen sind‹, unsere ganze Kraft darauf verwenden müssen, dass unsere Kinder nicht nur so zufällig überleben wie wir.
Finde jeder seinen Weg, für die Bewahrung des Lebens zu kämpfen. Nur ernst muss es ihm sein.«
Robert Jungk nahm sich, dem Zitat folgend, bescheiden zurück, denn er hatte sich schon viele Jahre, bevor er dieses Buch schrieb, intensiv für die Zukunft der Menschheit engagiert und schon lange davor Bücher wie »Die Zukunft hat schon begonnen« (1952) und »Heller als tausend Sonnen« (1956) geschrieben und darin vehement für eine menschliche Zukunft mit einer zukunftsfähigen Wissenschaft und Technik plädiert.
Jungk kritisierte stets die bestehenden Trends in Wissenschaft und Technik scharf. Er war einer der großen Visionäre des 20. Jahrhunderts, der gerne utopische Ideen in Diskussionen einbrachte. In seinen zahlreichen Publikationen verband er Kritik an den bestehenden Verhältnissen (Technikkritik, Politik- und Gesellschaftskritik) konsequent mit konstruktiven Visionen einer lebenswerten und zukunftsfähigen Welt. Er war kein Theoretiker und engagierte sich weltweit dort, wo ihn die Alternativbewegungen, Atomkraftgegner, die Friedens- und Umweltbewegung, die Zukunftsforschung und andere Neue Soziale Bewegungen brauchten. Er hatte den festen Glauben, dass Veränderungen von »unten« beginnen und spürte ihre Potentiale weltweit auf.
In seinem Buch »Der Jahrtausendmensch. Bericht aus den Werkstätten der neuen Gesellschaft« (1973) stellte er schon zu Beginn der Umwelt,- Zukunfts- und Friedensbewegungen umfassend den beginnenden Wandel des Strebens der Menschen nach einer gerechten, humanen Welt dar. Vieles, was Robert Jungk in diesem Buch als beispielgebend darstellte, wurde später zum Gedankengut vieler weiterer Projekte der Alternativbewegung und grüner Parteien. In diesem Buch betonte er nicht nur die dringende Notwendigkeit zur Veränderung der Menschen und der Gesellschaft, sondern zeigte auch auf, dass in jedem Menschen genug Phantasie steckt, um Veränderungen zu realisieren.
Schon in seinem frühen Weltbestseller »Heller als tausend Sonnen« (1956) sprach er sich auf der Basis der Geschichte der Atombombe mit erschütternden Hintergrundfakten gegen den blinden Fortschrittsoptimismus aus. Sein »Trotzdem. Mein Leben für die Zukunft« (1993) hinterließ deutliche Spuren im Denken und Handeln bei Millionen von Menschen. Viele Jahrzehnte lang war er unermüdlich auf unzähligen Veranstaltungen in der ganzen Welt durch Vorträge, Diskussionen und Mitarbeit aktiv. Besonders mit seinem Engagement gegen die Nutzung der Atomenergie, verschaffte er sich auch bei Kritikern in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft großen Respekt. Dass seit langem (und nicht erst nach Harrisburg und Tschernobyl) die Nutzung der Kernenergie auf sehr breite Ablehnung stößt und der Bau neuer Kraftwerke weltweit zum Teil gestoppt wurde, dazu hat Robert Jungk beigetragen. In dieser Autobiographie berichtet er umfassend über seinen bewegten Lebensweg, seine Antriebe, seinen Optimismus und über viele Projekte und Erfahrungen zur zukunftsfähigen Umgestaltung des Bestehenden. Der Begriff »Atomstaat«, basierend auf seinem gleichnamigen Buch (1977), ist heute Synonym für das Gefahrenpotential und die Unbeherrschbarkeit der Kernenergie und anderer Großtechnologien.
Robert Jungk starb am 14. Juli 1994 in Salzburg im Alter von 81 Jahren. (www.jungk-bibliothek.org )
Bearbeitungsstand: November 2009