Atomwaffen A-Z

Atomwaffenstaaten | USA

Laut dem "Nuclear Notebook" (2024) von Hans Kristensen und Matt Korda enthält das US-Atomwaffenarsenal aktuell 5.044 Atomsprengköpfe. Davon sind 1.770 "aktiv", also einsatzbereit stationiert - 1.370 auf land- und seegestützten ballistischen Raketen und 300 auf strategischen Bomberbasen in den Vereinigten Staaten, sowie weitere 100 taktische Atombomben in Europa. Etwa 1.940 Sprengköpfe werden als „Reserve“ gelagert und können, wenn nötig, in das "aktive" Arsenal eingebracht werden. 1.336 Sprengköpfe sind momentan für die Abrüstung vorgesehen.    
► mehr in der Tabelle unten    

Die USA gehören zu den offiziell anerkannten Atomwaffenstaaten und sind seit dem Jahr 1970 Mitglied des Atomwaffensperrvertrags, in dem sie sich verpflichtet haben, "in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung" (Artikel VI).    

Sie setzten 1945 in den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki als erster und einziger Staat Atomwaffen ein. Seit Beginn des atomaren Zeitalters trieben sie das weltweite Wettrüsten voran und stellten seitdem 66,500 Atomwaffen in Form von über 65 verschiedenen Typen her – von der kleinen Atommine bis zur riesigen Wasserstoffbombe mit mehreren Megatonnen  Sprengkraft. Im Jahr 1967 erreichten sie mit 31.255 die Höchstzahl von Atomwaffen in ihrem Besitz.

Insgesamt haben die USA bisher 1.032 Atomtests durchgeführt (einschließlich Hiroshima und Nagasaki), von denen 215 oberirdisch stattfanden. Seit 1992 testen sie Atomwaffen nicht mehr durch Kernwaffenexplosionen, sondern nur noch mit subkritischen oder simulierten Tests im Rahmen des "Stockpile Stewardship Program". Sie unterschrieben am 24. September 1996 den umfassenden Atomteststoppvertrag (CTBT), haben diesen aber bis heute noch nicht ratifiziert.

Atomwaffendoktrin der USA

Anfang Februar 2018 legte die Trump-Administration die neue Nuklearpolitik (Nuclear Posture Review, NPR) der USA vor. Diese NPR beinhaltet das Konzept der "maßgeschneiderten Abschreckung". Dadurch sollen Krieg und Atomwaffeneinsätze durch eine flexiblere Abschreckung verhindert werden. Das Konzept wurde bereits in der Regierungszeit von US-Präsident George W. Bush und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld entwickelt, blieb damals aber lediglich ein Vorschlag. Trumps Doktrin sah folgendes konkret vor:

  • unterschiedliche Atomwaffenträgersysteme, sowie variable Sprengkraft für verschiedene Einsatzszenarien
  • strategische und regionale Raketenabwehrsysteme
  • verbesserte regionale Kriegsführungskapazitäten
  • eine Erweiterung der nuklearen Optionen der USA insbesondere die Anwendung von Atomwaffen gegen strategische Angriffe von nuklearen als auch nicht-nuklearen Staaten.

Viele glaubten, dass Präsident Biden die Atomwaffendoktrin der USA mindestens auf den Obama Linien zurück holen würde, manche plädierten für ein sogenannte Sole-Purpose-Doktrin (Atomwaffen sollen alleine dafür da sein, um einen atomaren Anschlag abzuschrecken). Das ist aber nicht geschehen. In der am 27. Oktober 2022 freigegebene Version des „Nuclear Posture Review“ (NPR) war hingegen diese Aussage: Angesichts neuer Fähigkeiten von „Konkurrenten“ sei der Einsatz von Atomwaffen auch denkbar, wenn diese „den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten und Partnern“ mit konventionellen Mitteln „Schäden auf strategischer Ebene zufügen könnten“. Statt ambitionierter Konzepte für Rüstungskontrolle und Abrüstung stehen im NPR die Sicherstellung und forcierte qualitative Aufrüstung („Modernisierung“) des US-Atomwaffenarsenals, der Trägersystem-Triade sowie des gesamten wissenschaftlich-technischen und industriellen Atomwaffenkomplexes im Vordergrund.

► Mehr über die US-Atomdoktrin 2022 im Blog lesen

In der "Nuclear Posture Review" (NPR) von ehem. US-Präsidenten Barack Obama, die er im März 2010 vorstellte, spielten Atomwaffen bei der Verteidigung des Landes eine geringere Rolle als in der Bush-Doktrin von 2002. Unter dieser konnten Atomwaffen auch gegen Staaten eingesetzt werden, die keine Atomwaffen besitzen, oder als "präventive" Waffe beim Verdacht auf einen geplanten Angriff mit Massenvernichtungswaffen. Vor und während des Irakkrieges 2003 nutzten die USA dies und drohten mit einem Atomwaffeneinsatz, sollte der Iran die USA mit Massenvernichtungswaffen angreifen. Unter Obama hingegen sollte der Ersteinsatz dieser Waffen für die USA nur noch unter eingeschränkten Bedingungen infrage kommen. Darüber hinaus sollten laut seiner NPR keine neuen Atomsprengköpfe gebaut werden und der Verzicht auf Atomtests blieb bestehen.

Modernisierung der US-Atomwaffen

Die USA modernisieren nach und nach ihr gesamtes Arsenal sowie die zugehörige Atomwaffen-Infrastruktur. Während der Obama-Administration begann die umfassende Modernisierung des Atomwaffenarsenals sowie des Atomwaffenkomplexes. Das gesamte Modernisierungs- und Wartungsprogramm für Kernwaffen wird weit über das Jahr 2039 hinaus andauern und nach Schätzungen des Congressional Budget Office (CBO) in den nächsten drei Jahrzehnten 1,2 Billionen Dollar kosten. Obwohl diese Schätzung die Inflation berücksichtigt, gehen andere Schätzungen davon aus, dass die Gesamtkosten eher bei 1,7 Billionen Dollar liegen werden. Unabhängig davon, wie hoch der tatsächliche Preis sein wird, wird er im Laufe der Zeit wahrscheinlich steigen, was zu einem verstärkten Wettbewerb mit den für denselben Zeitraum geplanten konventionellen Modernisierungsprogrammen führt.

Neue Sprengköpfe und Atombomben

Als erstes wurde der W76-Sprengkopf für die Trident-Raketen erneuert und verbessert. Drei Sprengkopftypen werden auf US-SLBMs eingesetzt: der 90-Kilotonnen-Sprengkopf W76-1, der 8-Kilotonnen-Sprengkopf W76-2 und der 455-Kilotonnen-Sprengkopf W88. Bei der W76-1 handelt es sich um eine überarbeitete Version der ausgemusterten W76-0, die offenbar eine etwas geringere Sprengkraft hat, aber mit verbesserten Sicherheitsmerkmalen ausgestattet ist. Die National Nuclear Security Administration (NNSA) schloss im Januar 2019 die massive, zehn Jahre dauernde Produktion von schätzungsweise 1.600 W76-1-Sprengköpfen ab. Der W88-Sprengkopf mit höherer Sprengkraft wird derzeit einem Programm zur Verlängerung der Lebensdauer unterzogen. Die erste Produktionseinheit für den W88 Alt 370 wurde am 1. Juli 2021 fertiggestellt, die Hälfte wurde bis 2023 ausgeliefert, und die Produktion wird voraussichtlich im Fiskaljahr 2026 abgeschlossen sein. Die USA planen außerdem den Bau eines neuen SLBM-Sprengkopfes - W93. Nach Angaben des Energieministeriums werden „alle wichtigen Nuklearkomponenten auf den derzeit eingesetzten und zuvor getesteten Baupläne sowie auf umfangreichen Erfahrungen mit Komponenten und Materialien für die das Arsenal beruhen. Für die Zertifizierung sind keine zusätzlichen explosiven Atomtests erforderlich.“ Der W93 soll die Sprengköpfe W76-1 und W88 zunächst nicht ersetzen, sondern ergänzen. Ein weiterer neuer Gefechtskopf ist geplant, um diese Gefechtsköpfe in der Zukunft zu ersetzen. Die Fertigstellung der ersten Produktionseinheit der W93 ist vorläufig für 2034-2036 geplant.

Die B61-Bombe, die auch in Europa unter der nuklearen Teilhabe der NATO stationiert ist, wurde ebenfalls modernisiert. Die neue Bombe (B61-12) ersetzt alle früheren Modelle und soll als lenkbare Präzisionsbombe einsetzbar sein. Die Stationierung soll ab 2024 beginnen und bis 2026 abgeschlossen sein. Diese Bombe bekommt auch ein neues Trägerflugzeug: den Tarnkappenbomber F-35A Joint Strike Fighter. Der F-35A Lightning-II hat die technische Zulassung für die B61-12 erhalten. Damit ist der Weg frei für die US-Luftwaffeneinheiten in Europa, die ihre nuklearen Sicherheitszertifizierungen abschließen müssen, bevor sie die neuen Bomben erhalten.

► Mehr lesen zur B61-12 im Blog: Die neue "Smart"-Atombombe der USA

Ursprünglich sollten die Vereinigten Staaten etwa 480 B61-12-Bomben produzieren, doch im Jahr 2023 wurde bekannt gegeben, dass eine kleine Anzahl von ihnen stattdessen als B61-13, eine Freifallbombe mit einer wesentlich höheren Sprengkraft, hergestellt werden soll.

Trägersysteme: U-Boote, Raketen, Marschflugkörper, Flugzeuge

Für das Trident-II-System soll auch eine neue Generation von zwölf U-Booten der (District of) Columbia-Klasse gebaut, die die alte Ohio-Klasse ersetzen sollen. Die Kosten belaufen sich auf ca. 110 Mrd. US-Dollar (Schätzung FY 2021). Konstruktion des ersten U-Bootes begann 2020 und soll ab 2031 auf Patrouille gehen. Jedes U-Boot trägt 16 Trident D5-Interkontinentalraketen und Torpedorohre.

Die Trump-Administration führte diese Modernisierungspläne fort und baute auf ihnen auf. Alle Trägersysteme, die atomaren Sprengsätze, die Führungs- und Kommunikationsstruktur und die industrielle Infrastruktur für den Atomwaffenkomplex sollen entweder modernisiert oder ersetzt werden. Darüber hinaus sollten längerfristig auch nuklear bewaffnete, von U-Booten startbare, Marschflugkörper (SLCM-N) produziert werden und dafür ein neuer Sprengkopf mit kleinerer Sprengkraft entwickelt werden. Dieses System solle dann als „sofortige Antwortmöglichkeit“ dienen können. Trump glaubte, dass eine SLCM-N mit niedriger Sprengkraft Russland motivieren würde, Verhandlungen über taktische Atomwaffen aufzunehmen. Aber das ist nicht geschehen. Zudem befürchteten Kritiker*innen, dass solche Atomwaffen destabilisierend wirken würden.

Präsident Biden erklärte in seiner NPR, dass er das SLCM-N-Programm beenden wird, weil er die Waffe für nicht mehr nötig hält. Er folgte Trumps Argumentation nicht und meinte, die SLCM-N „ohnehin nicht vor den 2030er Jahren fertiggestellt werden würde, ist unnötig und könnte anderen Prioritäten schaden“. Das Programm würde „die Ressourcen und den Fokus von höheren Modernisierungsprioritäten für das US-Atomwaffenkomplex und die Infrastruktur ablenken, die nach jahrzehntelang aufgeschobenen Investitionen bereits an ihre Grenzen stoßen“. Trotz der Schlussfolgerungen der Biden-Administration könnte das SLCM-N-System jedoch letztendlich durch eine Intervention des Kongresses finanziert werden. Der Fiscal Year (FY) 2024 National Defense Authorization Act (NDAA) bewilligte eine nominale Finanzierung für das System und verlangte die Erstellung eines Programms für die SLCM-N, obwohl der Haushaltsantrag der Biden-Administration für das FY 2023 die vollständige Streichung der Finanzierung des Systems empfahl (US Congress 2023). Im NDAA für das Haushaltsjahr 2025 wurde die Finanzierung der Waffe fortgesetzt und von der Regierung akzeptiert, aber es bleibt abzuwarten, ob die SLCM-N angesichts von Finanzierungsengpässen und anderen Prioritäten zum Einsatz kommen wird.

Die Luftwaffe entwickelt auch einen neuen nuklearen luftgestützten Marschflugkörper (ALCM) mit der Bezeichnung AGM-181 LRSO (Long-Range Stand-Off). Er wird 2030 den luftgestützten Marschflugkörper AGM-86B ersetzen und den nuklearen Sprengkopf W80-4 tragen, eine modifizierte Version des W80-1, der im derzeitigen luftgestützten Marschflugkörper verwendet wird. Die ersten sollen im September 2027 geliefert werden und die Produktion bis 2031 abgeschlossen. Das LRSO wird sowohl die 46 nuklearfähigen B-52H als auch die neue B-21 bewaffnen, mit der erstmals ein US-Tarnkappenbomber einen nuklearen Marschflugkörper tragen wird.

Unter dem Begriff „Lebensdauerverlängerung“ wird die Betriebsdauer der Minuteman-III-Rakete bis 2030 erweitert. Die US Air Force (USAF) betreibt 400 silobasierte Minuteman III ICBMs und hält weitere 50 Silos "warm", um bei Bedarf gelagerte Raketen zu laden, insgesamt also 450 Silos. Die landgestützten Raketensilos sind in drei Geschwader unterteilt: das 90th Missile Wing auf der F. E. Warren Air Force Base in Colorado, Nebraska und Wyoming; das 91st Missile Wing auf der Minot Air Force Base in North Dakota; und das 341st Missile Wing auf der Malmstrom Air Force Base in Montana. Jedes Geschwader verfügt über drei Staffeln mit jeweils 50 Minuteman-III-Silos, die gemeinsam von fünf Startkontrollzentren gesteuert werden. Bis zu 800 Sprengköpfe werden den landgestützten ICBM-Streitkräften zugewiesen, von denen etwa die Hälfte montiert sind. Die 400 im Einsatz befindlichen Minuteman III tragen jeweils einen Sprengkopf, entweder einen 300-Kilotonnen-Sprengkopf W87/Mk21 oder einen 335-Kilotonnen-Sprengkopf W78/Mk12A. ICBMs, die mit der W78/Mk12A ausgerüstet sind, könnten jedoch technisch so aufgerüstet werden, dass sie jeweils zwei oder drei unabhängig voneinander ansteuerbare Sprengköpfe tragen, so dass insgesamt 800 Sprengköpfe für die ICBM-Streitkräfte zur Verfügung stünden.

2015 wurde die Minuteman-III-Rakete, bis auf die Hülle, in einem 10 Jahre langen Modernisierungsprogramm bereits komplett neu gebaut, um ihren Betriebsdauer bis 2030 zu verlängern. Derzeit wird mit ersten Forschungen zum Ersatz für die Minuteman-III, einer neuen Generation von Interkontinentalraketen namens LGM-35 Sentinel gearbeitet. Für diese neue Rakete soll eine „Next Generation“ Wiedereintrittskörper (NGRV) entwickelt werden. Die Finanzierung für den NGRV wurde beschleunigt, um bereits 2024 das Entwicklungsprogramm anzuschieben. Die Sentinel-Rakete sollte mehrere W87-1/Mk4A-Sprengköpfe tragen können, möglicherweise bis zu zwei pro Rakete. Der Bericht zur Waffenentwicklung (Weapons Development Cost Report der NNSA) für das W87-Modernisierungsprogramm beziffert die geschätzten Gesamtkosten auf bis zu 14,8 Milliarden US-Dollar, wobei die Kosten für die Herstellung der neuen Plutoniumkerne nicht berücksichtigt sind. Allerdings wird dieses Programm wahrscheinlich weiter unter Verzögerungen leiden und die Produktion wird erst in den frühen 2030er Jahren beginnen, so dass die Sentinel-Raketen zunächst mit einer modifizierten Version der W87 stationiert wird.

Um die Sentinel-Stationierungsziele zu erreichen, muss die NNSA mindestens 80 Plutoniumkerne pro Jahr herstellen; ein Ziel, das unabhängige Analyst*innen mit Skepsis betrachten. Um dem jährlichen Bedarf an Plutoniumkerne so nahe wie möglich zu kommen, wurde die Savannah River Plutonium Processing Facility mit der Herstellung von 50 Plutoniumkerne beauftragt, während die übrigen 30 im Los Alamos National Laboratory produziert werden. Eine umfunktionierte, aber nie fertig gestellte Anlage zur Herstellung von MOX am Standort Savannah River sollte ursprünglich 2030 in Betrieb gehen, um das Ziel von 50 Plutoniumkerne pro Jahr zu erreichen, aber der Fertigstellungstermin wurde auf 2032 bis 2035 verschoben.

Einem 2020 veröffentlichten Programmbericht der USAF zufolge muss die Luftwaffe 20 neue Sentinel-Raketen mit alten Wiedereintrittskörpern und Sprengköpfen einsetzen, um die erste Einsatzfähigkeit zu erreichen, die für das Steuerjahr 2029 geplant ist. Geplant ist die Anschaffung von insgesamt 659 Raketen, von denen 400 zum Einsatz kommen sollen, während die übrigen für Teststarts und als Ersatzteile verwendet werden. Anfang 2024 gab die Luftwaffe jedoch bekannt, dass sich der Termin für den ersten Sentinel-Einsatz auf das Frühjahr 2030 verschieben wird und der Zeitplan möglicherweise noch weiter nach hinten verschoben wird. Nach Angaben der US-Luftwaffe wird die neue Sentinel-Rakete die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität besitzen, um bis 2075 aufgerüstet zu werden, und eine größere Reichweite als die aktuelle Minuteman-III haben. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass die Sentinel-Rakete über eine ausreichende Reichweite verfügt, um Länder wie China, Nordkorea und Iran anzugreifen, ohne Russland zu überfliegen.

Die US-Luftwaffe betreibt derzeit eine Flotte von 20 B-2A-Bombern (die alle nuklearfähig sind) und 76 B-52 H-Bombern (von denen 46 nuklearfähig sind). Jede B-2 kann bis zu 16 Atombomben tragen (die Freifallbomben B61-7, B61-11, B61-12 und B83-1) und jede B-52 H kann bis zu 20 luftgestützte Marschflugkörper (AGM-86B) tragen. Die B-52 H-Bomber sind nicht mehr mit Freifallbomben ausgerüstet. Die USA modernisieren ihre nuklearen Bomber, indem sie die nuklearen Führungsfähigkeiten bestehender Bomber optimieren, aufgerüstete Nuklearwaffen (die B61-12, B61-13 und die neue AGM-181 Long-Range Standoff Weapon oder LRSO) entwickeln und einen neuen schweren Bomber (die B-21 Raider) entwerfen. Die B-21 soll bis 2027 in Dienst gestellt werden und in den 2030er Jahren schrittweise die Bomber B-1B und B-2 ersetzen. Es wird erwartet, dass die Luftwaffe mindestens 100 (möglicherweise sogar 145) B-21 beschaffen wird, wobei die jüngsten Kosten für das gesamte 30-jährige Betriebsprogramm auf etwa 203 Milliarden Dollar geschätzt werden. Bei geschätzten Kosten von 550 Millionen Dollar pro Flugzeug. Die B-21 wird in der Lage sein, die B61-12 und B61-13 und das künftige AGM-181 LRSO sowie eine breite Palette nichtnuklearer Waffen, einschließlich des JASSM-Marschflugkörpers (Joint Air-to-Surface Standoff), zu befördern.

Zu den Verbesserungen der nuklearen Kommando- und Kontrollsysteme, die die Bomber zur Planung und Durchführung von Nukleareinsätze nutzen würden, gehört das globale Aircrew Strategic Network Terminal (ASNT). Dabei handelt es sich um ein neues, hoch gelegenes, gegen elektromagnetische Impulse geschütztes Netz fester und mobiler nuklearer Befehls- und Kontrollterminals. Dieses Netz bietet Geschwadergefechtsständen, Einsatzkräften, Munitionsunterstützungsstaffeln und mobilen Unterstützungsteams überlebensfähige bodengestützte Kommunikationsmittel, um Abschussbefehle zu empfangen und an Bomber-, Tankflugzeug- und Aufklärungsflugzeugbesatzungen weiterzuleiten. Die erste Lieferung des Global ASNT, das die Luftwaffe als „die größte Aufrüstung ihrer nuklearen Kommando-, Kontroll- und Kommunikationssysteme seit mehr als 30 Jahren“ bezeichnet, erfolgte im Januar 2022, als die Barksdale Air Force Base das System erhielt. Das Rüstungsunternehmen Raytheon erhielt einen Auftrag über 134,4 Millionen Dollar für die Entwicklung des Systems und erreichte die erste Einsatzfähigkeit des Systems im August 2022.

Abrüstung und Rüstungskontrolle

Die USA und die anderen Atomwaffenstaaten verpflichten sich laut Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags, ihre Atomwaffen vollständig abzurüsten. Die Vertragsparteien verabschiedeten bei der Überprüfungskonferenz 2000 eine Liste von 13 Schritten, die zu einer systematischen Umsetzung des Artikels führen sollten. Die USA haben dieses Programm mitunterzeichnet. Die Bush-Administration ging jedoch dazu immer mehr auf Distanz. Der US-Kongress hatte bereits unter der Clinton-Administration abgelehnt, den umfassenden Atomteststoppvertrag zu ratifizieren (Schritt 1). Danach hat Bush den ABM-Vertrag gekündigt (Schritt 7) und hielt die Option offen, Atomtests wiederaufzunehmen (Schritt 2). In den Verhandlungen mit Russland über die Reduzierungen der Atomwaffen beharrten die USA darauf, ihre Atomwaffen in Zukunft wieder vollzählig stationieren zu können und nicht zu verschrotten (Schritt 5).

Obama erklärte bereits in seinen Wahlkampfreden 2008, dass er die Atomwaffenpolitik der USA wesentlich ändern und sich für eine atomwaffenfreie Welt einsetzen wolle. Diese Vision betonte er als damaliger US-Präsident am 5. April 2009 in Prag und brachte am 24. September 2009 eine Resolution in den UN-Sicherheitsrat ein, die das Ziel einer atomwaffenfreien Welt zusätzlich bekräftigte. Die Resolution wurde einstimmig angenommen. Am 9. Oktober 2009 wurde Obama – unter anderem für seine Bemühungen und seine Vision einer atomwaffenfreien Welt – mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

2010 wurde bei der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags ein Aktionsplan verabschiedet, der weitestgehend ohne Umsetzung blieb.

Im Februar 2012 kursierten Gerüchte über eine Diskussion des Pentagons betreffend der künftigen Zahl von Atomwaffen, die für eine glaubwürdige Abschreckung notwendig seien. Die Rede von einer möglichen Reduzierung der Anzahl um bis zu 80% sorgte für Aufregung. In seiner Rede im Juni 2013 in Berlin kündigte Präsident Obama an, das US-Atomwaffenarsenal um bis zu einem Drittel zu reduzieren. Dazu kam es aber nicht, denn Russland lehnte Obamas Angebot über weitere Abrüstungsverhandlungen ab.
 

  • Neue START (Strategic Arms Reduction Treaty)

Am 26. März 2010 verkündeten die USA und Russland, dass sie sich nach monatelangen Verhandlungen auf einen neuen Vertrag zur Abrüstung strategischer Atomwaffen geeinigt hätten, welcher, das im Dezember 2009 ausgelaufene START-Abkommen ersetzte. Laut Vertrag sollen die strategischen Atomwaffen beider Länder innerhalb von sieben Jahren jeweils um ca. ein Drittel reduziert werden auf maximal 700 Startsysteme und 1.550 platzierte Atomsprengköpfe auf strategischen Trägersystemen. Das sind ein Drittel weniger, als im letzten SORT-Vertrag von 2002 vorgesehen waren.

Alle sechs Monate berichten die USA und Russland, wie viele strategische Atomwaffen sie aktuell noch stationieren. Laut dem US-Außenministerium stationierten die USA im September 2019 668 strategische Startsysteme (land- und seegestützte ICBMs und schwere Bomber) mit 1.376 Sprengköpfen. Das bedeutet ein leichter Anstieg im Vergleich zu März 2018 um 19 Startsysteme und 11 Sprengköpfe. (Die Anzahl unterscheidet sich von denen im Nuclear Notebook präsentierten Zahlen, da die New-START Regelungen pro Bomber immer nur einen Sprengkopf zählen – deshalb ist die Stückzahl in Wirklichkeit höher.) Auch die Gesamtzahl der strategischen Systeme ist höher, da Raketen und Bomber, die nicht stationiert sind, nicht zerstört werden und relativ kurzfristig einsatzbereit gemacht werden können. Insgesamt wurde das US-amerikanische Waffenarsenal seit dem Inkrafttreten des Vertrags 2011 um 214 stationierte Trägerraketen und 424 stationierte strategische atomare Sprengköpfe verringert. Sie besitzen trotzdem aktuell 155 stationierte Trägerraketen mehr als Russland.

US-Präsident Joe Biden und der russiche Präsident Wladimir Putin verlängerten den New-START Vertrag im Januar 2021 um fünf Jahre. Die Regierung von Donald Trump hatte sich mit Moskau in zähen monatelangen Verhandlungen nicht auf eine Verlängerung verständigen können. Nun stellt der New-START-Vertrag das letzte atomare Abrüstungsabkommen zwischen den beiden Ländern dar. Präsident Putin hat in seiner Rede an die Nation am 21. Februar 2023 angekündigt, dass Russland seine Teilnahme an dem Abkommen „New START“ suspendiert. Russland zieht sich zwar nicht vollständig aus dem Vertrag zurück, aber die Aussetzung könnte bedeuten, dass eine Kündigung bevorsteht. Der Vertrag sieht ein Kündigungsrecht mit dreimonatiger Frist vor, aber keine Option, den Vertrag „auszusetzen“.

  • Der INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty)

Nach jahrelangem Streit erklärte US-Außenminister Mike Pompeo am 1. Februar 2019, die USA setze ab dem 2. Februar ihre Verpflichtungen aus dem INF-Vertrag aus und leite das Verfahren zum Austritt aus dem Vertrag ein. Gleich am nächsten Tag zog Russland nach und kündigte seinerseits den Vertrag auf. Somit lief der INF-Vertrag am 2. August 2019 endgültig aus.     

Beide Staaten geben dem jeweils anderen Staat die Schuld an diesen Entwicklungen. Das maßgebliche Element des INF-Vertrages war ein Verbot landgestützter Kurz- und Mittelstreckenwaffensysteme mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometer, sowie sie zu testen oder Abschussvorrichtungen für solche Waffen herzustellen. Seit 2007 wirft die russische Regierung den USA vor, sie verstoße gegen dieses Verbot und 2014 beschuldigte Trump Russland ebenfalls eines Vertragsverstoßes.

US-Atomwaffen in Europa

Offiziell unterliegen die Zahl und Lagerungsorte der US-Atomwaffen in Europa der Geheimhaltung. Im April 2019 veröffentlichte der kanadische Senator Joseph Day in einem NATO-Bericht jedoch zum ersten Mal jene sechs Militärstützpunkte in Europa, an denen derzeit US-amerikanische Atombomben stationiert sind. Aus dem Dokument "A new era for Nuclear Deterrence? Modernisation, Arms Control, and Allied Nuclear Forces", ging hervor, dass 150 US-amerikanische Atomwaffen des Typs B61 derzeit in den folgenden Militärbasen gelagert waren: Kleine Brogel (Belgien), Büchel (Deutschland), Aviano und Ghedi-Torre (Italien), Volkel (Niederlande) und Incirlik (Türkei). Im Rahmen der nuklearen Teilhabe wäre die jeweiligen Armeen im Ernstfall und auf Anweisung des US-amerikanischen Präsidenten vorbereitet, diese einzusetzen.

2024 wird die Zahl der US-Atomwaffen in Europa auf 100 geschätzt. Diese werden demnächst mit neuen lenkbaren B61-12-Atombomben ersetzt. Die belgische, die niederländische, die deutsche und die italienische Luftwaffe üben derzeit aktiv ihre nukleare Einsatzrolle mit US-Atomwaffen. Unter normalen Umständen stehen die Atomwaffen unter der Kontrolle von US-Luftwaffenpersonal; ihr Einsatz im Krieg muss vom US-Präsidenten genehmigt werden. In einem Informationsblatt der NATO aus dem Jahr 2022 heißt es, dass „ein nuklearer Einsatz nur nach ausdrücklicher politischer Genehmigung durch die Nukleare Planungsgruppe der NATO und nach Genehmigung durch den US-Präsidenten und den britischen Premierminister erfolgen kann“. Es erscheint unwahrscheinlich, dass alle Mitgliedsstaaten der Nuklearen Planungsgruppe (alle NATO-Staaten außer Frankreich) eine Konsensentscheidung treffen könnte, den Einsatz taktische Atomwaffen von Stützpunkten in Europa aus zu genehmigen, es sei denn, ein NATO-Mitglied wird als erstes angegriffen.

Die belgischen und niederländischen Luftstreitkräfte verwenden derzeit F-16-Flugzeugen für die nukleare Teilhabe, obwohl beide Länder dabei sind, F-35A Lightning II zu beschaffen, um ihre F-16-Flugzeuge zu ersetzen. Italien und Deutschland haben Tornado-Kampfjets für den atomaren Einsatz, kaufen aber auch das F-35A.

Der Luftwaffenstützpunkt Incirlik in der Türkei beherbergt etwa 20 bis 30 B61-Atombomben, die von US-Flugzeugen oder im Krisenfall von türkischen F-16-Flugzeugen abgeworfen werden können. Im Gegensatz zu anderen NATO-Partnern erlaubt die Türkei den USA nicht, ihre Flugzeuge dauerhaft in Incirlik zu stationieren. Im Ernstfall müssten US-Flugzeuge den Stützpunkt anfliegen, um die B61-Bomben abzuholen, oder die Bomben müssten zum Einsatz von der Türkei zu einen US-Stützpunkt in ein anderes Land verschifft werden.

Die USA zogen um 2007 ihre Atomwaffen aus dem Vereinigten Königreich ab, nachdem sie sie mehrere Jahrzehnte lang bei der Royal Air Force (RAF) Lakenheath gelagert hatten. In den letzten zwei bis drei Jahren mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass die USA erneut Atomwaffen dort stationieren werden. Ob die USA planen, Atomwaffen dauerhaft auf der RAF Lakenheath zu lagern, ist nicht bestätigt, aber es ist klar, dass Vorbereitungen im Gange sind, um die Fähigkeit des Stützpunkts zur Aufnahme von Atomwaffen wiederherzustellen, möglicherweise um der NATO die Möglichkeit zu geben, ihre Atomwaffen in Zeiten erhöhter Spannungen umzuverteilen oder sie in Zukunft möglicherweise aus der Türkei zu verlegen.

Die NATO arbeitet an einer umfassenden Modernisierung der Nuklearstreitkräfte in Europa, die die Aufrüstung von Bomben, Flugzeugen und des Waffenlagersystems umfasst. Nachdem die Einheiten in Europa ihre B61-12-Zertifizierung erhalten haben, soll die neue Bombe per Luftfracht zu den Stützpunkten transportiert werden, während die alten B61-3/4-Bomben in die Vereinigten Staaten zurückkehren.

Neben Waffen und Flugzeugen umfasst die nukleare Modernisierung der NATO auch die Verlängerung der Lebensdauer des Sicherheitssystems für die Waffenlager, einschließlich der Verbesserung der Kommando- und Kontrollsysteme sowie der Sicherheit auf den sechs aktiven Stützpunkten (Aviano, Büchel, Ghedi, Kleine Brogel, Incirlik und Volkel), einem zusätzlichen Stützpunkt (RAF Lakenheath) und einem Ausbildungsstützpunkt (Ramstein). Die NATO kündigt jetzt öffentlich ihre jährliche taktische Atomwaffenübung "Steadfast Noon" an und die Vorführungen auf den Nuklearstützpunkten sind offensiver geworden, u. a. mit einem so genannten "Elephant Walk" (Elefantengang) der Flugzeuge auf der Startbahn.

Die US-Atomwaffen 2023

TypZahl der Träger stationiert im Jahr...Sprengköpfe x
Sprengkraft (KT)
stationierte Sprengköpfe
 
Gesamtsumme stationiert   ca. 1.770
Reserve   ca.1.938
Zwischensumme   ca. 3.708
Für Abrüstung markiert   ca. 1.336
Gesamtarsenal   ca. 5.044
ICBMs    
Minuteman III    
Mk-12A20019791-3 W78 x 335 (MIRV)600
Mk-2120020061 W87 x 300200
Insgesamt400  800
SLBMs    
Trident II D514/280   
Mk-4A 20081-8 W76-1 x 90 (MIRV)1.511
Mk-4A 20191-2 W76-2 x 8 (MIRV)25
Mk 5 19901-8 W88 x 455 (MIRV)384
Insgesamt14/280  1.920
Bomber    
B-52H Stratofortress87/46*1961ALCM/W80-1 x 5-150500
B-2A Spirit20/20*1994B61-7 x 10-360/-11 x 400
B83-1 x niedrig -1.200
288
Insgesamt107/66  788
Taktische Waffen    
F-15E, F-16 Kampfjets, u.a.n/a19791-5 B61-3/-4 x 0,3-170200**
Insgesamt   200

* Die erste Zahl ist das Inventar an Flugzeugträgern, die für Training, Tests und als Reserve gehalten werden. Die zweite Zahl ist das Inventar an für den Einsatz bestimmten Primärflugzeugträgern. Die USA hat insgesamt 66 atomwaffenfähige Jagdflugzeuge: 46 B-52H-Bomber und 20 B-2-Bomber.

**100 von diesen Bomben sind in Europa stationiert. Alle Anderen sind in den USA zentral gelagert.

Quelle: Hans M. Kristensen & Matt Korda (2024) United States nuclear weapons, 2024,
Bulletin of the Atomic Scientists, 06.05.2024

► Quellen

Bearbeitungsstand: Mai 2024

US-Arsenal 2024

Insgesamt5.044
Einsatzbereit1.770
Reserve1.938
für Abrüstung markiert1.336

Quelle:  Hans M. Kristensen & Matt Korda (2024) United States nuclear weapons, 2024,
Nuclear Notebook, Bulletin of the Atomic Scientists, Vol. 80, No. 3, 182-208

Im Wortlaut

Nukleare Doktrinüberprüfungen

Links

Videos

Wichtige US-Persönlichkeiten

Atomwaffen A-Z