Atomwaffen A-Z

1970

22.02. Der Atomwaffensprengkopf einer Pershing-Rakete fällt während Wartungsarbeiten in Boetingen, Deutschland auf den Boden. Das Areal wird evakuiert und abgesperrt, der Sprengkopf explodiert jedoch nicht.

05.03. Nach dem Beitritt von 46 Staaten tritt der Atomwaffensperrvertrag (NPT) in Kraft, darunter die UdSSR und die Vereinigten Staaten von Amerika.

12.08. Der Moskauer Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion wird geschlossen.

19.08. Minuteman III, die erste Rakete mit mehrfach unabhängig zielprogrammierbarem Wiedereintrittskörper (MIRV) wird stationiert.

07.12. Der endgültige Entwurf des Meeresbodenvertrags wird von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Resolution 2660 (XXV) mit 104 zu 2 Stimmen (El Salvador, Peru) bei zwei Enthaltungen (Ecuador, Frankreich) angenommen.

Atomtest Baneberry in Nevada, USA, Foto: NNSA/gemeinfrei18.12. Während des unterirdischen Atomtests Baneberry in Nevada, USA, werden etwa 6,7 Millionen Curie (250 Petabecquerel) radioaktiven Materials freigesetzt.

1971

11.02. Der Meeresboden-Vertrag über das Verbot der Anbringung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresboden ist zur Unterzeichnung bereit.

20.02. Um 9:33 Uhr EST übermittelt das US-Notfallwarnzentrum im Hauptquartier des North American Aerospace Defense Command (NORAD) in Colorado Springs eine Notfallnachricht, in der alle US-amerikanischen Radio- und Fernsehsender angewiesen wurden, den normalen Sendebetrieb auf Anordnung von Präsident Richard Nixon einzustellen. Die Nachricht wird mehr als 40 Minuten lang nicht gelöscht. Dieser Vorfall wurde möglicherweise dadurch verursacht, dass ein Fernschreiberbediener das falsche Band anstelle der routinemäßigen Testsendung des Emergency Broadcast Network einlegte. Trotzdem sind die Nachrichtenredaktionen im ganzen Land in Aufruhr und die Öffentlichkeit wurde unnötig in Panik versetzt. [Diaz J]

03.09. Das Vier-Mächte-Abkommen zwischen der UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich wird in Berlin unterzeichnet.

30.09. Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion unterzeichnen ein Abkommen über Maßnahmen zur Verringerung des Risikos eines Atomkrieges. Das Abkommen sieht vor:

  • eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen gegen den versehentlichen oder unbefugten Einsatz von Kernwaffen;
  • eine sofortige Benachrichtigung, falls die Gefahr eines Atomkrieges durch die Entdeckung nicht identifizierter Objekte oder eines anderen unerklärlichen Vorfalls, der eine mögliche Detonation einer Kernwaffe beinhaltet, entsteht;
  • eine Vorankündigung aller geplanten Raketenstarts außerhalb des Territoriums der startenden Partei und in Richtung der anderen Partei.

20.10. Willy Brandt erhält den Friedensnobelpreis.

06.11. Trotz massiver Proteste zünden die USA am 6. November 1971 eine 5 MT (Megatonnen)-Bombe in einem 1,8 km tiefen Schacht auf der nordpazifischen Insel Amchitka. Der sogenannte „Cannikin”-Test schafft eine gigantische unterirdische Höhle und einen 1,6 km großen Krater. Die Explosion hebt den Boden um etwa sechs Meter, löst Erdrutsche aus und reißt riesige Schneisen durch das gesamte Testgelände.

27.11. Die fünf ursprünglichen Mitglieder ASEANs unterschreiben eine Erklärung über eine Zone des Friedens, der Freiheit und Neutralität (ZOPFAN) in Kuala Lumpur. Diese sollte die Grundlage für eine Atomwaffenfreie Zone in Südostasien werden, deren Einrichtung jedoch verschoben wird.

1972

Zwölf Minuten vor Zwölf: Der Vertrag zur Begrenzung der strategischen Waffen (SALT) und das Raketenabwehr-Abkommen (ABM) werden unterzeichnet. Die Verträge zielen auf die Begrenzung von strategischen Atomwaffen bzw. auf den Verzicht auf umfassende Abwehrmaßnahmen ab.

20.01. Der pakistanische Präsident Bhutto beschließt Atomwaffen zu bauen, nach dem Verlust Ostpakistans an Indien.

18.05. Vertrag über das Verbot der Anbringung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresboden (Meeresbodenvertrag) tritt in Kraft.

26.05. Unterzeichnung des Raketenabwehr-Vertrages (ABM) zwischen den USA und der Sowjetunion durch Nixon und Breschnew. Er beschränkt die Anzahl von Raketenabwehr-Stellungen für die USA und die Sowjetunion auf jeweils zwei mit maximal 100 Abwehrraketen. Gleichzeitig untersagt der Vertrag die Stationierung von ABM-Komponenten auf fremdem Territorium und im Weltraum. [Federation of American Scientists]

26.05. Abschluss des ersten SALT - Strategic Arms Limitation Treaty - Abkommen zwischen den USA und der Sowjetunion zur Reduzierung der strategischen Atomwaffen. [Office of the Historian, US State Dept]

03.10. Inkrafttreten des Raketenabwehr-Vertrages (ABM) zwischen den USA und der Sowjetunion. [Arms Control Association]

01.11. Die zweite SALT-Verhandlungsrunde beginnen. SALT II soll das Interim Agreement von SALT I durch einen langfristigen und umfassenden Vertrag zur Beschränkung strategischer offensiver Nuklearsysteme ersetzen und sieht zahlreiche weitere Bestimmungen vor. [Timetoast]

1973

09.05. Australien und Neuseeland klagen Frankreich wegen seinen Atomversuchen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag an.

22.06. Eine Vereinbarung zwischen den USA und der Sowjetunion über die Verhütung des Atomkrieges tritt in Kraft. Sie vereinbaren damit, dass beide Staaten als politische Hauptziele die Aufhebung der Gefahr durch Atomwaffen und ihres Einsatzes anstreben. Im Wortlaut (engl.)

29.07. Schwere Explosion in der Windscale-Wiederaufarbeitungsanlage in Großbritannien, bei der ein großer Teil der Anlage kontaminiert wird. Seitdem liegt dieser Teil der Aufarbeitungsanlage still. Der Name „Windscale“ ist zum Synonym für „Katastrophe“ geworden und wird nun zunehmend durch den Namen „Sellafield“ ersetzt.

1974

Neun Minuten vor Zwölf: Indien testet einen atomaren Sprengsatz. Die USA und die Sowjetunion entfernen sich von ihren Rüstungskontrollabkommen und modernisieren ihre Atomwaffen u.a. durch die Einführung der „Mehrfachsprengköpfe“.

18.01. US-Verteidigungsminister James Schlesinger kündigt eine Atomwaffendoktrin mit begrenzten strategischen Atomschlagoptionen an, in der eine breite Palette von atomaren Abschreckungsoptionen zur Verfügung steht, bevor eine massive atomare Vergeltung stattfindet. 

19.02. In Indien wird das „Den Drachen am Schwanz kitzeln“-Atomexperiment in Vorbereitung auf den ersten Atomtest durchgeführt. Das Experiment zur Messung von kritischen Massen wurde bereits in Los Alamos wegen seiner Gefährlichkeit von Richard Feynman so getauft; Atomphysiker Harry Daghlian 1945 und Louis Slotin 1946 starben bei solchen Experimenten, die missglückten. »Spiegel-Artikel zu „Den Drachen am Schwanz kitzeln“ und Strahlentod von Robert Peabody in 1964

18.05. Smiling Buddha: Indien zündet einen Atomsprengsatz unterirdisch in Pokhran, in der Wüste Thar. Die Explosion hat eine Sprengkraft von 8-13 Kilotonnen. Indien wird immer behaupten, es wäre ein „friedlicher“ Atomtest.
 
03.07. Testschwellenvertrag zwischen den USA und der UdSSR, der die Explosionsenergie von unterirdischen Atomtests auf unter 150 Kilotonnen begrenzt. Er tritt erst 1990 in Kraft. Am selben Tag einigen sich beide Seiten darauf, die Abwehrmaßnahmen für jeweils einen Standort auf 100 Abfangraketen zu begrenzen.

10./11.07. Mündliche Anhörungen am Internationalen Gerichtshof zum Fall Neuseeland gegen Frankreich wegen atmosphärischer Atomtests im Südpazifik.

02.11. Ein Flugzeug soll mit einer WE-177 Atombombe im britischen Stützpunkt Laarbruch beladen werden. Die Bombe rollt vom Transportkarren zu Boden.

Gerald Ford und Leonid Brezhnew, 1974, Foto: Ford Library

24.11. US-Präsident Gerald Ford und der sowjetische Generalsekretär Breschnew unterzeichnen die Wladiwostock-Erklärung, die die Zahl strategischer Start- und MIRV-Systeme auf 2400 bzw. 1320 begrenzt.

20.12. Das Urteil des IGH (9 zu 6 Stimmen der Richter) im Fall Neuseeland gegen Frankreich wird verkündet: Da Frankreich seine Absicht erklärte, oberirdische Atomtests einzustellen, sobald die Testreihe beendet sei, gäbe es keinen Grund zur Klage mehr. »Urteil im Wortlaut (engl.)

1975

05.-30.05. Erste Überprüfungskonferenz (RevCon) des Atomwaffensperrvertrags. 91 Staaten nehmen teil. Es wird entschieden, alle fünf Jahren eine Überprüfungskonferenz abzuhalten.

01.08. Die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) wird unterzeichnet. Ziel der Akte war es, dem Ost- und Westblock in Europa zu einem geregelten Miteinander zu verhelfen.

25.08. US-Geheimdienste berichten, dass Ägypten bei Indien sondiere, ob es Hilfe bei der Entwicklung einer nuklearen Abschreckung gegen Israel bekommen könnte.

22.11. Zwei US-Schiffe - USS John F. Kennedy und USS Belknap - kollidieren bei schlechtem Wetter in der Nähe von Sizilien im Mittelmeer. An beiden Schiffen entstehen große Schäden und ein heftiges Feuer mit Explosionen, das über zwei Stunden andauert.

1976

20.01. Außenminister Kissinger versucht, die Problematik der „Grau-Zonen-Waffen“ (Marschflugkörper und sowjetischen Backfire-Bomber) durch Gespräche in Moskau zu lösen. [Office of the Historian]

28.05. Die USA und die UdSSR unterzeichnen den Vertrag über unterirdische Kernexplosionen zu friedlichen Zwecken (PNE=Peaceful Nuclear Explosion).

17.11. Der größte chinesische oberirdische Atombombentest findet auf dem Lop Nor-Testgelände statt. Die Bombe hat eine Sprengkraft von über vier Megatonnen.

1977

Frühjahr Die Sowjetunion (SU) beginnt mit der Stationierung von SS-20 Raketen in Europa. Diese Raketen verfügen über unabhängige Mehrfachsprengköpfe (MIRV) und sind auf Ziele in Westeuropa gerichtet.

07.04. US-Präsident Jimmy Carter erklärt in Washington, dass die Vereinigten Staaten bis auf Weiteres von einer Verwendung von Plutonium als Kernbrennstoff in Kernkraftwerken absehen wollen. 

26.05. Auf einer Pressekonferenz äußert sich Präsident Carter „sehr optimistisch“ was den Verlauf der SALT-Verhandlungen anbelangt.

27.09. Einigung zwischen der USA und der Sowjetunion über SALT-II.

28.10. Bundeskanzler Helmut Kohl fordert eine Nachrüstung der westlichen atomaren Streitkräfte für den Fall, dass die Sowjetunion ihre SS-20-Mittelstreckenraketen nicht abbaut.

1978

10.03. Das US nukleare Nichverbreitungsgesetz wird von US-Präsident Jimmy Carter unterschrieben und tritt damit in Kraft [Im Wortlaut, engl.]

07.04. US-Präsident Jimmy Carter beschließt, die Herstellung der Neutronenbombe zu verschieben.

17.05. Das US-Außenministerium schickt einen Abkommensentwurf zu nuklearer Kooperation an die US-Botschaft in Iran, worüber es zwar Einigung gab, der aber nie unterzeichnet wurde. [DoD-Dokument, PDF]

23.05.-01.07. Erste UN-Sonderkonferenz zur Abrüstung (SSOD=Special Session on Disarmament). Im Schlussdokument wird u.a. ein Aktionsplan für Abrüstung verabschiedet. [Im Wortlaut, engl.]

12.06. Im UN-Sicherheitsrat erklärt US-Außenminister Cyrus Vance, dass die USA keinen NVV-Mitgliedsstaat mit Atomwaffen angreifen würden, außer sie selbst oder ein Bündnispartner würde mit Atomwaffen von jenem Staat oder einem Bündnispartner jenes Staates angegriffen (sogenannte negative Sicherheitsgarantie). [Arms Control Association]

16.10. Ein SIPRI-Symposium zum Thema technische Aspekte der Kontrolle von spaltbaren Materialien in nichtmilitärischen Anwendungen geht in Stockholm zu Ende. [Dokumentation]

04.11. Das US-Außenministerium schickt ein Geheimdokument an Botschaften in 12 allierten Staaten mit der Bitte, eine Wiederaufarbeitungsanlage in Pakistan zu verhindern. [National Security Archive]

1979

28.03. Beim GAU im Druckwasserreaktor von Three Mile Island in Harrisburg, Pennsylvania in den USA wird der Reaktor irreparabel zerstört. Die Bevölkerung der Stadt muss evakuiert werden. Die Gesundheitsfolgen bleiben unklar.

01.04. Islamische Revolution im Iran. Der Iran wird durch ein Referendum des iranischen Volkes zur islamischen Republik.

08.05. Außenminister Vance erklärt vor Pressevertreter*innen, dass in den Streitfragen eine Einigung erzielt wurde.
 
18.06. Das zweite SALT-Abkommen zur Begrenzung von strategischen Atomwaffensystemen zwischen den USA und der Sowjetunion wird in Wien unterzeichnet. Es tritt aber nie in Kraft und wird 1991 durch den START-I-Vertrag ersetzt.

22.09. Aktivitäten werden von den optischen Sensoren eines Vela-Satelliten aufgezeichnet, die sehr wahrscheinlich auf einem heimlichen Atomtest im Südindischen Ozean hindeuten. Der Atomtest könnte von Israel oder Südafrika ausgeführt worden sein. [Mehr zum Vela-Zwischenfall (engl.)]

09.11. Am 9. November 1979 wird Mitarbeitern im Militärkommandozentrum des Pentagon in den Cheyenne Mountains sowie in Maryland ein massiver atomarer Angriff der Sowjetunion auf ihren Computern angezeigt. Nach der Einschätzung führender Offiziere erhalten die Kontrollzentren für die Minuteman-III-Interkontinentalraketen erste Warnungen darüber, dass die USA vor einem atomaren Angriff stehe. Die Luftwaffe startet sogar 10 Kampfflugzeuge, um die Raketen abzufangen. Der Fehlalarm wurde durch ein Übungstonband ausgelöst. [Mehr Fehlalarme]

NATO-Doppelbeschluss wird beschlossen, 1979, Foto: NATO12.12. Die NATO beschließt eine zweigleisige Antwort auf die SS-20 Stationierung (NATO-Doppelbeschluss). Der Beschluss sieht Verhandlungen mit der UdSSR über den Abbau der Mittelstreckenraketen vor. Bei einem Scheitern der Gespräche wollen die USA aber nach vier Jahren - also Ende 1983 - atomare Mittelstreckenraketen in Europa stationieren. Der Beschluss führt in vielen westeuropäischen Ländern zu einem Anwachsen der Friedensbewegung, die gegen die Nachrüstung Stellung bezieht.

13.12. Das Zentralkomitee der SED wendet sich gegen den NATO-Doppelbeschluss. DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker bekräftigt seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Rahmen der friedlichen Koexistenz.

25.12. Die Sowjetunion beginnt mit ihrer Invasion in Afghanistan. Sowjetische Truppen überschreiten die Grenze nach Afghanistan und erobern die Hauptstadt Kabul.

Atomwaffen A-Z