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Nevada

Atomtestgelände, USA

Mehr als 1.000 Explosionen von Atomwaffen in den Jahren 1951 bis 1992 führten zur Freisetzung großer Mengen an Radioaktivität, die weite Teile der USA mit strahlenden Partikeln kontaminierten und beinahe die gesamte US-amerikanische Bevölkerung erreichten.

Das Nevada Testgelände, etwa 105 km nordwestlich von Las Vegas gelegen, ist das größte und wichtigste Areal für Atomwaffentests der USA. Von 1951 bis 1992 wurden auf dem etwa 3.500 km großen Gebiet 1.021 Atomwaffendetonationen durchgeführt – 100 davon überirdisch und 921 unterirdisch. Dabei wurden insgesamt etwa 222.000 PBq (1 Petabecquerel = 1 Billiarde Becquerel) radioaktives Material in die Atmosphäre freigesetzt.

Wie aus den freigegebenen Dokumenten der US Civil Defense Administration hervorgeht, wurde radioaktiver Niederschlag im Rahmen der Atomwaffentests wissentlich hingenommen. Als Wissenschaftler radioaktives Strontium in den Milchzähnen US-amerikanischer Kleinkinder nachwiesen und die Zahl kindlicher Leukämien und anderer Krebserkrankungen stieg, führte der wachsende Druck der Öffentlichkeit am 25. Juli 1963 schließlich zur Unterzeichnung des Vertrags über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser. Unterirdische Detonationen wurden jedoch in Nevada bis dem 23. September 1992 weiter durchgeführt und so traten weiterhin regelmäßig Unglücksfälle auf, zum Beispiel am 18. Dezember 1970: Die unterirdische Detonation der zehn-Kilotonnen-Bombe „Baneberry” löste eine radioaktive Staubwolke aus, die etwa 247 PBq strahlender Partikel über dem Personal des Testgeländes nieder regnen ließ, darunter drei PBq Jod-131. Der radioaktive Niederschlag erstreckte sich zusätzlich über Teile der Bundesstaaten Kalifornien, Idaho, Oregon und Washington.

In den 1950er Jahren wurden die Bewohner der Region rund um das Testgelände dazu animiert, die regelmäßigen Atomexplosionen zu beobachten. Viele Betroffene berichten davon, extra ihre Wecker gestellt zu haben, um die morgendlichen Detonationen nicht zu verpassen. Von der US-amerikanischen Atomenergiekommission erhielten sie Dosimeter, um die erhaltene Strahlendosis anschließend messen zu können. Die Bevölkerung von Utah wurde aufgrund der vorherrschenden Windrichtung am schwersten vom radioaktiven Niederschlag betroffen. Radioaktive Stoffe wie Jod-131 können inhaliert werden oder mit verstrahlter Nahrung in den Körper gelangen und dort Krebs erzeugen. Die Kinder der kleinen Stadt St. George, Utah erhielten vermutlich Schilddrüsendosen von bis zu 1,2–4,4 Sievert. Epidemiologische Studien ergaben dementsprechend auch einen signifikanten Anstieg von Leukämien und Schilddrüsenkrebs unter den „Downwindern“, der Bevölkerung, die in Windrichtung vom Testgelände lebte.

Angaben des National Cancer Institutes zufolge erhielt die US-amerikanische Bevölkerung eine Gesamtstrahlendosis von vier Millionen Personen-Sievert Jod-131 durch die Atomtests in Nevada – etwa 500-mal mehr als die Gesamtstrahlendosis von Tschernobyl (7.300 Personen-Sievert). Eine am 1. Oktober 1997 publizierte Studie schätzt, dass etwa 10.000 bis 75.000 Menschen als Folge der Atomexplosionen von Nevada Schilddrüsenkarzinome entwickeln würden. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2006 berechnete, dass ca. 1.800 Todesfälle durch Leukämien infolge der Atomwaffentests in Nevada zu erwarten sind. Trotz dieser besorgniserregenden Erkenntnisse wurden keine regelmäßigen Schilddrüsenuntersuchungen bei den Menschen in den betroffenen Regionen durchgeführt.

Auch heute noch bleibt das Testgelände radioaktiv kontaminiert. Es wird geschätzt, dass sich noch etwa 11.100 PBq radioaktives Material in der Erde und 4.440 PBq im Grundwasser befinden. Die USA haben bis heute noch nicht den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen aus dem Jahr 1996 ratifiziert. 1990 wurde der Federal Exposure Compensation Act verabschiedet um betroffene Downwinder finanziell zu kompensieren, wenn sie unter Krankheiten leiden, die durch Radioaktivität entstanden sein könnten. Für viele von ihnen ist es aber aufgrund bürokratischer Hürden und fehlender wissenschaftlicher Aufarbeitung schwierig, die ihnen zustehenden Kompensationen auch tatsächlich zu erhalten.

(Quelle : IPPNW-Ausstellung «Hibakusha weltweit»)

Bearbeitungsstand: März 2014

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