NEHRU, Jawaharlal
Indischer Politiker 1889-1964
Jawaharlal Nehru, der erste Premierminister und Architekt des modernen, unabhängigen indischen Staates, war nicht nur ein politischer Führer seines Landes, sondern auch ein entschiedener Verfechter des Weltfriedens und der atomaren Abrüstung.
Seine Haltung zur Atomwaffe und sein unermüdlicher Einsatz für ein Atomtestverbot waren untrennbar mit seiner Vision einer sicheren und friedlichen Welt verbunden.
In den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, einer Zeit der Unsicherheit und Angst, trat Nehru auf die internationale Bühne und setzte sich energisch für Abrüstung ein. Er meinte, er würde fest daran glauben, dass Atomwaffen nicht nur eine Bedrohung für die nationale Sicherheit einzelner Länder darstellen, sondern auch eine existenzielle Gefahr für die gesamte Menschheit. Als Staatsmann nutzte er seine Position, um diese Überzeugungen zu verbreiten und Maßnahmen zur Eindämmung der atomaren Bedrohung zu fördern.
Nehrus Abrüstungsdiplomatie verlangte, dass internationale Gremien wie die Abrüstungskommission der Vereinten Nationen die atomwaffenfreien Staaten nicht ausschließen durften. Multilateralismus bei Abrüstungsverhandlungen wurde zu einem der Eckpfeiler der indischen Politik. Auch wenn Indien eine stärkere Einbindung anstrebte, vertrat es die Auffassung, dass die Hauptverantwortung für die nukleare Abrüstung bei den beiden Supermächten lag. Diese Meinung begründete sich in der politischen Ansicht in Indien, dass radikale Lösungen für die Abrüstung nicht praktikabel waren, da Atomwaffen inzwischen ein fester Bestandteil der Sicherheitsdoktrinen der Atomwaffenstaaten geworden waren.
Eine seiner bedeutendsten Initiativen war die Forderung nach einem weltweiten Verbot von Atomtests. Nehru war sich bewusst, dass Atomtests nicht nur die Umwelt verschmutzten und verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen hatten, sondern auch das Wettrüsten und die Spannungen zwischen den Atommächten verstärkten. Er sah ein Atomtestverbot als entscheidenden Schritt hin zu einer sichereren Welt, frei von der Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen.
Unter dem Eindruck des verheerenden "Bravo"-Wasserstoffbombentests am 1. März 1954 appellierte Nehru als ersten Staatsmann am 2. April 1954 an die Atommächte, ihre Atomversuche einzustellen. Nehru drängte zu einer "Stillhalte"-Vereinbarung der USA und UdSSR, aber die beiden Supermächte ignorierte seine Forderung. Die blockfreien Staaten waren jedoch von der Idee überzeugt und strebten ein globales Atomtestverbot an.
Nehrus Bemühungen auf diesem Gebiet kulminierten in seiner aktiven Teilnahme an den Verhandlungen über ein Atomteststopp während der 1950er und 1960er Jahre. Er setzte sich nachdrücklich für die Schließung von Testgeländen und die Einführung eines umfassenden Verbots von Atomtests ein, das von allen Nationen respektiert werden sollte. Teilweise war er erfolgreich: 1963 wurden Atomtests in der Atmosphäre, Unterwasser und im Weltraum verboten. Nehru gilt daher als Initiator und Stimme des partiellen Testverbots.
Wenn es darum ging, zwischen der Sicherung der strategischen Interessen Indiens durch ein Atomwaffenarsenal und der Sicherung seines Vermächtnisses als "Pazifist" und "Internationalist" zu wählen, entschied sich Nehru stets für Letzteres. Die wissenschaftliche Arbeit zur Entwicklung des Atomprogramms wurde von ihm nur für „friedliche Zwecke“ unterstützt. Dennoch verrieten Nehrus Äußerungen ab Ende 1955 nicht nur Ambivalenz und Unentschlossenheit, sondern auch ein klares Bewusstsein für die Bedeutung der Option auf eine Atomwaffe.
Im Januar 1958 erläuterte Nehru, wie Indien mit der Stationierung von Atomwaffen in Pakistan oder einem anderen asiatischen Land umgehen würde, und erklärte, dass Indien über das technische Know-how zur Herstellung der Atombombe verfüge und eine solche in drei oder vier Jahren entwickeln könne. Indien würde dies jedoch niemals tun, da es der Welt versichert habe, dass es die Atomwissenschaft niemals für einen Krieg einsetzen werde.
Im Jahr 1958 genehmigte Nehru das Projekt Phoenix zur Rückgewinnung von bombenfähigem Plutonium aus dem Reaktor CIRUS. Dieser Reaktor war für Indien der kürzeste Weg zur Entwicklung einer Atomwaffe, da er Plutonium als Nebenprodukt erzeugte. Es gab keinen anderen Grund für die Plutoniumproduktion außer dem, sich die Option einer Atombombe offen zu halten.
Laut S. Gopal, der eine Biografie von Nehru schrieb, war Nehru gegen ein umfassendes Verbot von Atomwaffen. Er war zwar gegen den Einsatz von Atomwaffen, aber nicht per se gegen den Besitz. Selbst als Nehru für eine Welt ohne Atombomben eintrat und sich für einen Vertrag über das Verbot von Atomtests einsetzte, genehmigte er die Pläne des Atomwissenschaftlers Homi J. Bhabhas zum Aufbau einer gigantischen Infrastruktur, die sowohl zur Erzeugung von Atomenergie als auch zum Bau von Bomben geeignet war. Mit Ausnahme des Testverbots, widersetze sich Nehru jeglichem Kontrollmechanismus, der das nukleare Potential Indiens eindämmen könnte.
Jawaharlal Nehru starb vier Monate vor dem ersten Atomtest Chinas im Oktober 1964, der eine offene Debatte Indiens zur Atombewaffnung auslöste. Verschiedene Ansätze, Indiens Dilemma zu lösen, waren vergeblich. Auch der ursprünglich gewollte Nichtverbreitungsvertrag wurde anders, als Indien es sich vorgestellt hatte. Daher entschied schließlich Indira Gandhi 1974, einen unterirdischen Atomtest durchzuführen, allerdings unter dem Vorwand einer „friedlichen“ Atomexplosion. xh
Bearbeitungsstand: März 2024
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Quellen:
Dadabhoy BK: Homi Bhabha, Jawaharlal Nehru and the Bomb, Wire, 25.04.2023
Mohan CR: India and Nuclear Weapons, 1998