Atomwaffen A-Z

Atomteststopp

engl.: nuclear test ban

Ein erster Vorschlag zu einem Abkommen über ein Atomtestverbot wurde 1954 von Indien unterbreitet. Seitdem arbeiteten die Vollversammlung der Vereinten Nationen und andere internationale Foren wie die Genfer Abrüstungskonferenz (und deren Vorläufer) an der Verwirklichung eines allgemeinen vollständigen Teststoppabkommens.

Am 31. Oktober 1958 wurde von den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion (UdSSR) und Großbritannien in Genf eine Atomteststopp-Konferenz eröffnet. Die USA und die UdSSR verständigten sich außerdem auf eine vorübergehende Einstellung ihrer Atomtests (‚Moratorium’). Bis zum Ende der Konferenz hatten sich die beteiligten Staaten fast auf ein Verbot aller Tests in der Atmosphäre, unter Wasser, im All Weltraum und unter der Erde ab einer bestimmten Sprengkraft geeinigt und befürworteten für Atomexplosionen unterhalb dieses Grenzwertes ein Moratorium.

Im Laufe des Jahres 1961 beendeten sowohl die Vereinigten Staaten als auch die Sowjetunion ihr Moratorium und begannen erneut mit Atomwaffenversuchen. Dadurch wurde das öffentliche und politische Interesse an einem Teststoppabkommen wieder geweckt.

Der nächste Versuch zu einer Beschränkung von Atomwaffentests führte am 25. Juli 1963 zwischen den USA und der UdSSR zu einem Abkommen über ein Partieller Atomteststoppvertrag (PTBT = Partial Test Ban Treaty), das alle Atomwaffenversuche in der Atmosphäre, unter Wasser und im All Weltraum ausschloss. Der Vertrag trat am 10. Oktober 1963 in Kraft und brachte für die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion und für Großbritannien das Ende aller Tests in der Atmosphäre. (Frankreich und China, die den Vertrag nicht unterzeichnet hatten, setzten ihre Versuchsprogramme in der Atmosphäre noch einige Zeit fort). Inzwischen sind 126 Staaten dem Abkommen beigetreten. Der Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser hat zwar die radioaktive Verseuchung vermindert, aber keinesfalls eine Verlangsamung der Testprogramme, geschweige eine Abkehr von Versuchsexplosionen herbeigeführt. Im Gegenteil: Von den 2.058 Atomwaffentests zwischen 1945 und heute fanden mehr als 1.500 nach Abschluss des Vertrages statt. In den Jahren 1963 bis 1990 fanden in den USA 204 unterirdische Atomwaffentests statt. Diese Tests verletzten zwar nicht den Teilteststoppvertrag, aber faktisch wurde jeder fünfte Test in der Wüste von Nevada vor der Öffentlichkeit verheimlicht. China und Frankreich, die dem Abkommen nicht beigetreten waren, führten auch in den sechziger und siebziger Jahren Atomtests in der Atmosphäre durch, Frankreich 41 Tests und China 22 Tests. Seit 1975 testete Frankreich „nur“ noch unterirdisch, zuletzt 1995/96, was zu weltweiten Protesten führte. China führte ebenfalls von Mai 1995 bis Juli 1996 weitere Tests durch. Indien und Pakistan, die dem Teilteststoppvertrag auch nicht beigetreten waren, führten im Mai 1998 Atomtests durch. Nordkorea führte bisher sechs Atomtests seit 2006 durch.

Während der heißen Phase des Kalten Kriegs in den 1980er Jahren wurde erneut Interesse an Rüstungskontrolle, atomarer Abrüstung und der Verwirklichung eines allgemeinen umfassenden Teststoppabkommen laut. Als eine seiner ersten Abrüstungsinitiativen nach Übernahme der Regierungsgewalt im Jahre 1985 verkündete Michail Gorbatschow, die Sowjetunion werde ab dem 6. August (Hiroshima-Tag) alle Atomwaffentests einstellen, und er lud die anderen Atommächte ein, diesem sowjetischen Moratorium beizutreten. Doch keine der anderen Atommächte reagierte auf Gorbatschows Appell, und nach einem 19-monatigen Moratorium nahm die Sowjetunion ihre Atomwaffenversuche im Februar 1987 wieder auf. Im August 1987 verkündete Gorbatschow erneut ein einjähriges Moratorium für Atomwaffentests. Dem Moratorium stimmte am 26. Oktober 1991 auch der neue russische Präsident Boris Jelzin zu. Diesmal reagierten auch die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich und setzten ihre Tests ebenfalls aus.

Dank einer von der Vollversammlung der Vereinten Nationen einstimmig verabschiedeten Resolution erhielt die Abrüstungskonferenz in Genf schließlich am 19. November 1993 ein nachdrückliches Mandat zu Verhandlungen über einen umfassenden Atomteststoppvertrag (CTBT = Comprehensive Test Ban Treaty).

Die Verhandlungen kamen erst voran, nachdem der Atomwaffensperrvertrag (NPT) 1995 unbefristet verlängert wurde. Während der Verhandlungen nahm China seine Atomwaffenversuche wieder auf und Frankreich kündigte eine neue Reihe von Atomtests an. Indien blockierte die Verhandlungen, weil es vorher auf einem Zeitplan für die atomare Abrüstung bestand, den die Atomwaffenstaaten nicht liefern wollten. Bis zum Ende der Sitzungsperiode im Sommer 1995 konnten die Verhandlungsparteien zu keinem Ergebnis kommen, also wurde die ganze Angelegenheit den Vereinten Nationen in New York übergeben. Am 10. September 1996 verabschiedete eine Sondersitzung der Vereinten Nationen die von Australien eingebrachte Resolution A/70/L.78. mit 158 Ja-Stimmen, bei drei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Damit wurde der aus den Genfer Verhandlungen hervorgegangene und dort nicht im Konsens zu verabschiedende Text des Umfassenden Atomteststoppvertrages angenommen.

Gegen den Vertrag ist einzuwenden, dass

  • er die Entwicklung neuer Technologien zum Testen von Atomwaffen ohne Atomexplosionen (z.B: subkritische Tests) und damit die qualitative Weiterentwicklung oder „Modifikation“ neuer Atomwaffen nicht verhindert;
  • er als reines Rüstungskontrollabkommen keine Verbindung zur Notwendigkeit weiterer Fortschritte in der Atomwaffenabrüstung herstellt;
  • die Regularien seines Inkrafttretens gemäß Artikel XIV, laut dem alle 44 Staaten mit Atomwaffen oder Atomenergieprogrammen den Vertrag gesondert zu ratifizieren haben, ihn nachhaltig gefährden;
  • er im Endeffekt den atomaren Status quo auf der Welt erhalten und somit selbst zu einem weiteren Wettlauf in der Atomrüstung führen kann.

Der Vertragstext entsprach zwar nicht den gewünschten Zielvorstellungen - aber er gibt eine international gültige Norm vor, mit der zukünftig gegen mögliche Atomtests angegangen werden kann. Die Abstimmung bei den Vereinten Nationen machte deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Staatengemeinschaft mit ihrem Ja zur Resolution die Modernisierung der bestehenden Atomwaffenarsenale verhindern möchte. xh

Bearbeitungsstand: November 2022

►Weitere Informationen zu den Atomteststoppverträgen heute
►Weitere Informationen zu der Geschichte der Atomteststoppverträge

Quellen:

Johnson R: Unfinished Business: Negotiating the CTBT and the end of nuclear testing, UNIDIR, 2009
UNODA: Treaty banning nuclear tests in the atmosphere, in space and unterwater

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