Atomziele
engl.: nuclear targets
Hierbei handelt es sich um Ziele, die vorrangig oder ausschließlich mit einem Atomsprengkörper angegriffen und vernichtet werden sollen. Dabei ist die Detonationsart von entscheidender Bedeutung. Hohe Luftdetonationen zerstören vor allem weiche Ziele (z. B. Flugzeuge am Boden) und führen zu Verletzungen oder Tod bei ungeschützten Personen. Niedrige Luftdetonationen wirken vorrangig gegen harte Ziele (z. B. gepanzerte Fahrzeuge, Geschütze, Feldbefestigungen und Flugzeugschutzbauten). Bodendetonationen entfalten ihre Wirkung, indem sie durch Krater oder starke Rückstandsstrahlung Hindernisse schaffen. Vorrangige Ziele sind Starbahnen, Straßen, Brücken, Eisenbahn- und Hafenanlagen sowie unterirdische Anlagen. Untererddetonationen zerstören unterirdische Anlagen, Kanäle, Durchfahrten sowie Engen und sperren Gelände. Wasserdetonationen wirken gegen Über- und Unterwasserfahrzeuge sowie Hafenanlagen. Detonationen in großer Höhe vernichten Raumfahrzeuge und hochfliegende Flugkörper. (LL)
Der mögliche Einsatz von Atomsprengkörpern wird von allen Atommächten bereits zu Friedenszeiten sorgfältig geplant. Gegnerische Kommandozentralen und ABC-Waffen sind besonders wichtige Zielobjekte (high-payoff targets/HPT), ihre Vernichtung ist vordringlich. So müssen die gegnerischen Massenvernichtungsmittel ausgeschaltet werden, bevor der Gegner sie einsetzen kann. Diese Objekte gelten daher als time-sensitive targets (TST). Außerdem weist die eigene Aufklärung erfahrungsgemäß Lücken auf, man spricht dann von »unanticipated« bzw. »unplanned immediate targets« (nicht vorhergesehene unmittelbare Ziele). Schließlich muss festgelegt werden, welche Ziele nur unter bestimmten Bedingungen oder auf gar keinen Fall angegriffen werden dürfen. Solche Objekte (z. B. Atomkraftwerke) werden in einer Restricted Target List (RTL) bzw. in einer No-Strike List (NSL) aufgeführt.
Während des Kalten Krieges wurde von den US-Streitkräften ein Verfahren zur Erstellung eines Atomkriegsplanes entwickelt, das bis heute seine Gültigkeit hat. Im Prinzip wird die Methode von jeder anderen Nuklearmacht in gleicher Weise praktiziert: Zunächst legen die Atomkrieger im Rahmen der sog. Weapon Allocation fest, welche Gefechtsköpfe oder Atombombentypen groß genug sind, um ein bestimmtes Objekt zu zerstören. Die sogenannte Lethalität errechnet sich aus Sprengkraft und Treffgenauigkeit. So kann ein unterirdisches Objekt - je nach Größe - mit einer konventionellen Waffe sowie einer kleineren oder größeren Nuklearwaffe angegriffen werden. Bei der Weapon Application wird jeder Atomwaffe aus dem US-Bestand ein bestimmtes Ziel zugewiesen. Zum Schluss wird festgelegt, wann und in welcher Reihenfolge die Ziele attackiert werden sollen. Im Kriegsfall möchte der US-Präsident auf möglichst viele Optionen zurückgreifen können, die sich danach unterscheiden, wie viele von welchen Zielen angegriffen werden. Für jede Option wird dann eine Schadensabschätzung (Consequences of Execution Analysis) vorgenommen. So unterscheiden die US-Atomkrieger zwischen umfassenden Major Attack Options (MAO) und Limited Nuclear Options (LMO), zwischen langfristig vorbereiteten Directed Planning Options (DPO) und kurzfristig entwickelten Adaptive Planning Options (ADO).
Außer gegen Russland und China entwickelte Stratcom für den »Global Strike« Einsatzpläne gegen fünf weitere, namentlich nicht genannte Staaten. Gegen jedes dieser Länder wird ein Theater Nuclear Planning Document (TNPD) für den Atomwaffeneinsatz und ein Theater Planning Support Document (TPSD) für konventionelle Angriffe aufgestellt. Auch für den letzten Golf-Krieg (Operation Iraqi Freedom) im Jahre 2003 waren augenscheinlich Atomschläge vorbereitet. Stratcoms Kriegsplanung gegen Schwellenländer ist dabei integraler Bestandteil der Siop-Planung. Mit seinen Planungen unterstützt Stratcom die jeweiligen Regionalkommandos (Eucom, Centcom, Pacom). (Quelle: Gerhard Piper, Frankfurter Rundschau vom 20. 3. 2004)
Bearbeitungsstand: März 2008
siehe auch: Detonationsarten
siehe auch: Kalter Krieg
siehe auch: Letalität