Atomwaffen A-Z

Anadyr-Operation

Anadyr (Fluss in Sibirien) war der Codename für eine sowjetische Militäroperation Anfang der 1960er Jahre zur Verlegung von sowjetischen Kampftruppen und mehrerer atomarer Mittelstreckensysteme auf die Insel Kuba. Der Plan sah eine gigantische Aufrüstung Kubas vor: 24 Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von 1.600 Kilometern, 16 Interkontinentalraketen mit einer Reichweite von 3.200 Kilometern, jeweils bestückt mit einem Atomsprengkopf. Mit ihrer Aufstellung in Kuba würde sich die Zahl der Atomraketen, die die USA treffen könnten, verdoppeln. Außerdem sollten zwei Bataillone mit T-55-Panzern auf Kuba stationiert werden, eine Staffel der modernsten Kampfjäger, 70 Atombomber und 80 Marschflugkörper mit je 60 Kilometer Reichweite. Auch eine Basis für Atom-U-Boote sollte es geben. Etwa 51.000 Soldaten waren vorgesehen, davon 10.000 Mann Kampftruppen.

Ende Juli 1962 begann das Unternehmen. Es war die größte amphibische Operation in der Geschichte der UdSSR und gleichzeitig die größte sowjetische Geheimoperation während  des Kalten Krieges. 85 Schiffe standen zur Verfügung, die in sechs Häfen von Sewastopol bis Murmansk beladen wurden. Kapitäne und Mannschaften kannten bis zum Atlantik das Ziel noch nicht. Sie mussten Winterkleidung und Skier mit sich führen, um den Eindruck zu vermeiden, es gehe in die Karibik. Die Schiffe selbst waren als Holzfrachter getarnt, die Raketenteile in den Laderäumen versteckt. Jeder Kapitän bekam einen Briefumschlag, der erst  auf hoher See geöffnet werden durfte. Es gab die Anweisung, dass bei einem Angriff ein Ausweichmanöver durchgeführt, der Dokumentenbestand vernichtet und notfalls das Schiff versenkt werden sollte. 

Zur weiteren Erhöhung der Schlagkraft entschied der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschow im August 1962 weitere Einheiten nach Kuba zu verlegen. Dabei handelte es sich um eine Staffel mittlerer Bombenflugzeuge vom Typ Il-28 mit sechs Nuklearsprengköpfen von 8 bis 12 KT und bis zu drei Abteilungen mit taktischen ballistischen Raketen vom Typ 3R9 Luna-1 (FROG-4). Personal und Material erreichten im Oktober auf mehreren Schiffen die Insel Kuba. Als die im Bau befindlichen Abschussbasen am 14. Oktober 1962 von einem US-amerikanischen U-2-Aufklärungsflugzeug entdeckt wurden, begann die sogenannte Kubakrise. (LL | Quelle: Rolf Steininger , DIE ZEIT Nº 41/201222. Oktober 2012)

Bearbeitungsstand: September 2014

Atomwaffen A-Z