Atomwaffen A-Z

Têwo/Diebu

Uranbergbau, China

Die „Mine 792“ produziert seit 1967 Uran für chinesische Atomwaffen und Kraftwerke. Berichte über radioaktive Verseuchung der umliegenden Region und Sicherheitsmängel, welche die Gesundheit der Minenarbeiter und der lokalen Bevölkerung gefährden, wurden von offiziellen Stellen unterdrückt und ignoriert.

Hintergrund

Eine der größten Uranminen Chinas liegt im autonomen tibetischen Gebiet Diebu in der Provinz Ganzu. Die „Mine 792“ wurde 1967 durch das chinesische Militär eröffnet. Zu Höchstzeiten betrug die jährliche Produktion 140 bis 180 Tonnen Uranerz. Aufgrund staatlicher Zensur ist es schwierig zu erfahren, was genau in der Minenregion stattfindet. Die Berichte sogenannter „Whistleblower“ sind daher die einzige Form unabhängiger Informationen. Seit 1988 hat Sun Xiaodi, ein Angestellter der Mine, die öffentlichen Stellen mehrfach ersucht, schwere Fälle von Korruption und radioaktiver Verseuchung zu untersuchen – bislang ohne Ergebnis. Im Jahre 2005 redete er mit ausländischen Journalisten über das unkontrollierte Verbreiten von Uranstaub durch Lkw-Transporte von Uranerz ohne adäquate Sicherheitsmaßnahmen. Des Weiteren berichtete er über illegales Abladen von radioaktivem Müll in den Fluss Bailong, welcher eine Trinkwasserquelle der Region darstellt. Sun Xiaodi und seine Töchter wurden aufgrund dieser Interviews verhaftet und zu „Umerziehungsmaßnahmen“ in Arbeitslagern verurteilt. Im Jahre 2006 wurde er für sein mutiges Handeln mit dem „Nuclear Free Future Award“ ausgezeichnet, den er aufgrund eines Hausarrests allerdings nicht persönlich entgegen nehmen konnte. Die „Mine 792“ wurde 2002 offiziell nach angeblicher Erschöpfung der Erzressourcen geschlossen, wird aber weiterhin privat durch die Longjiang Nuclear Ltd. betrieben. Der Aufsichtsrat dieser Firma besteht aus Mitgliedern der Provinzregierung und des chinesischen Ministeriums für Atomenergie.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Durch die Zensur in China existiert keine aussagekräftige wissenschaftliche Forschung zu den Effekten auf Gesundheit und Umwelt durch den Uranbergbau. Dem Harvard Human Rights Journal zufolge berichten tibetische Flüchtlinge aus der Region über eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Fehlgeburten und Missbildungen und über 50 Todesfälle durch mysteriöse Krankheiten zwischen 1988 und 1991 in der Umgebung der Uranmine, am ehesten verursacht durch verseuchtes Trinkwasser. Sie berichten ebenfalls über den Tod von Haustieren, deren Organe wie verbrannt erschienen sowie schweren Schaden an der Vegetation rund um den „schwarzen und übel riechenden“ Fluss Bailong, einem Nebenfluss des Yangtze. Fälle von radioaktiver Exposition der Lokalbevölkerung durch Uranstaub und kontaminiertes Wasser in der Nähe von Uranminen sind weltweit gut dokumentiert – selbst in Deutschland.

Mit der Privatisierung der „Mine 792“ im Jahre 2002 wurden ehemalige Arbeiter durch Kurzarbeiter ersetzt, wodurch Proteste und Gesundheitskontrollen erschwert wurden. „Human Rights in China“ zufolge sind sich die häufig ausgewechselten, ortsfremden Arbeiter nicht darüber im Klaren, welche Gesundheitsrisiken mit dem Uranbergbau verbunden sind. Da adäquate Sicherheitsmaßnahmen fehlen und die Arbeiter sogar in den Minen essen und schlafen, sind sie großen Mengen an Strahlung ausgesetzt und haben ein erhöhtes Risiko, Krebs zu entwickeln, wie Studien aus Uranbergbaugebieten in Deutschland und Kanada belegen (siehe dazu die entsprechenden Poster). Zusätzlich behauptet Sun Xiaodi, dass kontaminiertes Werkzeug aus den Minen zwischen 1994 und 2003 überall in China verkauft wurde, „ohne Vorsichtsmaßnahmen, die über ein einfaches Abwaschen hinausgingen“. Fabriken, die die schweren Maschinen der „Mine 792“ benutzen, würden radioaktiv kontaminierten Zement und Beton herstellen und so die radioaktive Strahlung weiter im Land verteilten.

Ausblick

China investiert als einziges Land weltweit weiter großzügig in die Atomenergie – selbst nach dem Super-GAU von Fukushima und trotz Warnungen führender chinesischer Wissenschaftler, dass Sicherheitsaspekte des nationalen Atomenergieprogramms besorgniserregend unterentwickelt seien. Das Geld, das mit dem Uranbergbau verdient wird, rückt ökologische und gesundheitliche Bedenken in den Hintergrund. Epidemiologische Studien und unabhängige Untersuchungen der radioaktiven Verschmutzung des Bailong Flusses sind weiterhin nicht in Sicht. Doch mit „Whistleblowern“ wie Sun Xiaodi unter Hausarrest und Kurzarbeitern in der „Mine 792“, gibt es wenig Hoffnung auf gründliche Untersuchungen des Gesundheitsstatus der Minenarbeiter und der tibetischen Lokalbevölkerung. Auch sie sind Hibakusha, denn ihre Gesundheit wurde dem Streben nach Uran für Atomwaffen und Kraftwerke geopfert.

 

Bearbeitungsstand: Mai 2024

Quelle:

IPPNW: Hibakusha Weltweit, Ausstellung, 2024

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