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Libyen

Die Bestrebungen Libyens, sich in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und Trägertechnologien zu bringen, rühren weniger als bei anderen Staaten der Region (wie zum Beispiel Ägypten, dem Iran oder Israel) von einer tatsächlichen oder zumindest angenommen strategischen Notwendigkeit oder gar Zwangslage her. Vielmehr dürfte die Person Muammar Al Gaddafis bei diesen Bestrebungen eine entscheidende Rolle spielen. Gaddafi, der das Land seit 1996 regierte, sah sich selbst als visionären Führer mal der arabischen Welt, mal Afrikas oder der sogenannten "Dritten Welt" im Ganzen. Der Versuch, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, führte, verbunden mit der Unterstützung des internationalen Terrorismus, zu einer wachsenden Isolation des Landes unter Führung der Vereinigten Staaten. Isolierung und Sanktionen erschwerten den für Libyen unverzichtbaren Technologietransfer und brachten alle Programme recht schnell zum Stocken. Seit Aufhebung der UN-Sanktionen bemüht sich Libyen nach US-Geheimdienstangaben wieder verstärkt um den Erwerb von ausländischer Technologie, die für die diversen Massenvernichtungsentwicklungsprogramme des Landes eingesetzt werden könnten.

1970 scheiterte der Versuch, von China fertige Atomwaffen zu kaufen. 1977 bot Libyen Pakistan nigerianisches Uran und Finanzhilfe an, offenbar um im Gegenzug am pakistanischen Nuklearwaffenprogramm teilnehmen zu können. Auch dieser Versuch scheiterte. Nach der Ratifizierung des Nichtverbreitungsvertrags 1975, lieferte die Sowjetunion Libyen einen Forschungsreaktor, der 1979 in Tajoura in Betrieb genommen wurde. Der 10 Megawatt Versuchsreaktor steht unter der Kontrolle der IAEO (Internationalen Atomenergiebehörde). Es ist nicht davon auszugehen, dass Libyen derzeit an der Entwicklung von Nuklearwaffen arbeitet. Auf politischer Ebene sind die Signale der libyschen Regierung jedoch widersprüchlich. Zwar unterzeichnete das Land 1995 die unbestimmte Verlängerung des Atomwaffensperrvertrags und 1996 den Vertrag über eine atomwaffenfreie Zone in Afrika. Auf der anderen Seite äußerte sich Oberst Gaddafi mehrfach in dem Sinne, dass arabische Staaten Atomwaffen erwerben sollten, um das israelische Monopol auf diesem Gebiet zu brechen.

Im Dezember 2003 hatte der libysche Revolutionsführer Muammar el Gaddafi angekündigt, seine Massenvernichtungsprogramme aufzugeben und sein Atomprogramm unter die Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zu stellen. Im Frühjahr 2004 lieferte Libyen 16 Kilogramm hoch angereichertes Uran nach Russland zurück. Die ehemalige Sowjetunion hatte das Uran zwischen 1980 und 1984 an Libyen geliefert. Die USA und Großbritannien feierten die Entscheidung Libyens, auf die Entwicklung von ABC-Waffen zu verzichten, als Erfolg im Sinne des Atomwaffensperrvertrages. (Quelle: libyen.com/Militaer/Atomwaffen-Kernwaffen, Seite nicht mehr verfügbar)

Libyen verfügte vor der Beendigung seines heimlichen Atomprogramms im Jahr 2004 über technische Pläne zur Produktion von bis zu zehn Kilogramm Plutonium pro Jahr. Dies geht aus einem vertraulichen Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hervor, den die Wiener UN-Behörde am 12. September 2008 den Mitgliedern des Gouverneursrats übermittelt hat. Diese Menge an Plutonium hätte zum Bau einer Atombombe ausgereicht, deren Sprengkraft die Bombe von Nagasaki 1945 deutlich übertroffen hätte. IAEA-Inspekteure fanden laut dem Report jedoch keine Gebäude oder Einrichtungen, die auf eine konkrete Umsetzung der Pläne hindeuteten. Außerdem hätten in den gefundenen Plänen einige technische Informationen gefehlt, die für deren Umsetzung nötig gewesen wären. Offenbar stammten die meisten Pläne, darunter auch Blaupausen für den Bau eines Raketensprengkopfs und für Atombomben, von dem Atomschmuggelring des pakistanischen Wissenschaftlers Abdul Kadir Khan. Dessen Kontakte zu dem nordafrikanischen Land reichten nach den Recherchen der IAEA-Inspekteure bis ins Jahr 1984 zurück, zehn Jahre früher, als bisher angenommen. IAEA-Chef Mohammed el Baradei bestätigte in seinem Bericht, dass die Untersuchung im Zusammenhang mit dem heimlichen Atomprogramm Libyens mit dem Report abgeschlossen sei. Die Inspekteure würden jedoch ihre routinemäßigen Kontrollen fortsetzen.(Quelle dpa, 13.09.2008)

Bearbeitungsstand: Oktober 2008

siehe auch: Atomwaffensperrvertrag
siehe auch: Plutonium
 

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