Atomwaffen A-Z

Lahr

ehem. Atomwaffenstandort Deutschland (Kanada)

Das ehemalige SAS Lahr (48°22'37“N, 07°49'37“O) lag auf dem gleichnamigen Fliegerhorst ca. 13 km südwestlich der Stadt Offenburg im Schwarzwald. Im Sommer 1959 wurde ein Verband der französischen Luftwaffe mit der neuen F-100 Supersabre auf den Flugplatz Lahr am Schwarzwald verlegt. Die F-100D verfügte über ein Bombenabwurfsystem, mit dem auch Atombombern im Tiefflug eingesetzt werden konnten. Nach dem Abzug der Franzosen im Jahr 1968 wurde ein kanadischer Verband mit seinen beiden Starfighter-F104-Staffeln auf den Militärflugplatz bei Lahr verlegt. Im Einzelnen handelte es sich dabei um folgende Einheiten:

  • RCAF Lahr 441 (S/A) Squadron „Silver Fox“ CF-104
  • No 1 (F) Wing 439 (S/R) Squadron „Tiger“ CF-104
  • RCAF Lahr 441 (S/A) Squadron „Silver Fox“ CF-104
  • 109 Communications Flight Dakota

Eine Besonderheit der kanadischen Starfighter-Flotte bestand darin, dass auch eine begrenzte Anzahl von CF-104D-Doppelsitzern für die Aufnahme von Atomwaffen ausgerüstet wurde. Statt ausgedehnter Luftkämpfe wie zu Zeiten der Sabre trainierten die Piloten der 3 und 4 Wings komplexe Einsatzverfahren wie Radarnavigation und Bodenangriff im Tiefstflug, um im Ernstfall ihre Ziele in Osteuropa ohne Sicht bekämpfen zu können.

Von 1962 bis 1964 wurden US-amerikanische Atomsprengköpfe vom Typ Mk.28 FUFO auf dem Fliegerhorst für den Einsatz bereitgehalten. Diese frei fallenden Fliegerbomben verfügten über eine Sprengkraft von 1.100 Kilotonnen (KT). Später wurden die Mk.28 durch die Mk.57 Atombombe abgelöst. Diese Waffe verfügte über eine unveränderliche Sprengwirkung von 1 Megatonne (MT). Sie war als Außenlast speziell für den Abwurf von schnell und tieffliegenden Jagdbombern entwickelt worden.

Gemäß den NATO-Forderungen wurden pro Geschwader ständig vier Maschinen (später auf zwei reduziert) in der QRA in Bereitschaft gehalten. Unter einem "Dual Key Arrangement" wurde sichergestellt, dass kanadische und US-amerikanische Offiziere gleichzeitig den Einsatzbefehl – der vorher vom US-Präsident erteilt wurde – geben mussten, um Missbräuche zu verhindern. Innerhalb der QRA durfte sich nur eine begrenzte Anzahl ausgewählter Personen aufhalten und sich niemals alleine den atomar bewaffneten Maschinen nähern. Kein Starfighter wurde jemals mit atomarer Bewaffnung außerhalb der QRA bewegt, geschweige denn geflogen. Die speziell entwickelten Abwurfverfahren für den Tiefflug wurden mit Trainingsbomben ("shapes", welche die gleichen ballistischen Eigenschaften wie die Mk.28 aufwiesen) auf den Schießplätzen Capo Frasca auf Sardinien und Suippes in Frankreich geübt. Das automatische Bombenabwurfsystem LABS half dem Piloten, ein Flugprofil einzuhalten, welches einen Abwurf im Tiefflug und ein anschließendes Entkommen ermöglichte. Dabei wäre entweder ein Abwurf "über die Schulter" oder mit Fallschirm (Low Angle Drogue Delivery) in Betracht gekommen.

Der atomare Einsatz endete bereits im Oktober 1971, als sie an die US-Airbase Sembach in Rheinland-Pfalz verlegt wurden. Danach flogen die USA ihre Atomwaffen zurück in die Vereinigten Staaten und zogen ihr Detachment mit dem speziell ausgebildeten Wach- und Wartungspersonal vom Fliegerhorst Lahr ab. Am 25. Mai 1994 wurde in Lahr eine Schließungszeremonie abgehalten, und am 31. August 1994 übergab ein Nachkommando den Platz an die deutschen Behörden. Damit wurde nach über vierzig Jahren der letzte kanadische Luftwaffenstützpunkt in Europa geschlossen.

Dass Atombomben in Lahr gelagert waren, wurde lange geheim gehalten. Werner Schönleber hat durch seine historische Forschung Belege für die Lagerung gefunden und veröffentlicht.

Bearbeitungsstand: Mai 2024

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Quelle:

Bott H: Auch in Lahr lagerten Atombomben, Badische Neueste Nachrichten, 13.07.2019

 

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