Hotline
dt.: heißer Draht, rotes Telefon
‚Hotline‘ ist die englische Bezeichnung für eine schnelle Kommunikationsverbindung zwischen Staatsoberhäuptern, die die Gefahr eines Unfalls, einer Fehlkalkulation oder eines Überraschungsangriffs - und insbesondere eines Zwischenfalls, der einen Atomkrieg auslösen könnte - verringern soll.
Am 20. Juni 1963 unterschrieben die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion eine Vereinbarung über die erste Hotline. Diese Übereinkunft ist aus den Erfahrungen der Kubakrise im Oktober 1962 entstanden, als die USA und die Sowjetunion durch Fehlkommunikation am Rande eines Atomkrieges standen. Zwischen Moskau und Washington D.C. wurde eine Fernschreiberverbindung (Telex) über London, Kopenhagen, Stockholm und Helsinki angelegt, sowie eine zweite Funkverbindung als Backup über Tanger in Marokko. Die Nachrichten waren verschlüsselt und in der jeweiligen Sprache, so dass sie - obwohl sie nur Minuten brauchten, um anzukommen - entschlüsselt und übersetzt werden mussten.
In der Öffentlichkeit herrscht bis heute die falsche Vorstellung, dass es ein rotes Telefon im Büro des US-Präsidenten gab. Bei der ersten Hotline war es jedoch nicht möglich, direkt miteinander zu sprechen, weil Fehler beim schnellen Dolmetschen zu Missverständnissen hätten führen können.
Am 30. August 1963 lief die erste Hotline-Nachricht von den USA in die Sowjetunion. Ihr Inhalt war: “The quick brown fox jumped over the lazy dog’s back 1234567890”. Diese Nachricht verwendete jeden Buchstaben und jede Ziffer, um zu prüfen, ob alles richtig funktioniert.
Nachdem US-Präsident John F. Kennedy am 22.11.1963 ermordet wurde, schickten die USA ihre erste echte Nachricht, um die Sowjetunion davon zu unterrichten. Erst vier Jahre später, während des Sechstage-Krieges, informierten die USA die Sowjetunion über Verlegungen ihrer Schiffsflotte, um ihre Absichten als nicht feindlich gegenüber der UdSSR zu signalisieren. Während des Krieges 1967 verwendeten die beiden Staaten die Hotline mehr als 20 mal. 1971 nutzte US-Präsident Nixon sie während des indisch-pakistanischen Krieges, 1973 erneut im Krieg zwischen Israel und den arabischen Staaten. Auch Ronald Reagan machte von der Hotline Gebrauch. Wie oft, ist nicht bekannt, da eine offizielle Liste nie veröffentlicht wurde.
Ab 1978 lief die Hotline über Satelliten und die Funkverbindung als Backup wurde durch die Fernschreiberverbindung ersetzt. 1986 wurde auch Fax als Medium für die Hotline möglich. Seit 2008 laufen die Verbindungen über ein gesondertes Computer-Netzwerk, das die Verwendung von einem Chat sowie Email ermöglicht.
1987 etablierten die USA und die Sowjetunition zusätzlich “Nuclear Risk Reduction Centres" (NRRC) in Washington und Moskau, die 1988 in Betrieb gingen. Die Hotline wurde parallel ausschließlich für die Nutzung durch Staatschefs vorgesehen. Die Zentren für nukleare Risikominimierung tauschten Informationen und Notifizierungen aus, insbesondere solche, die unter bestimmten Rüstungskontrollverträgen vereinbart wurden.
2015, nach der Annexion der Krim durch Russland, richteten die NATO und Russland eine direkte Verbindung zwischen den Generalstäben ein. Wegen des Kriegs in der Ukraine 2022 wurde eine neue Hotline zwischen den USA und Russland aktiviert, um “kritische Sicherheitsfragen mit den Russen im Falle eines Notfalls oder einer Notsituation zu besprechen”, so das Pentagon. Seit dem 1. März 2022 sind die beiden Verteidigungsministerien damit verbunden.
Es gab und gibt auch Hotlines - teils per Telefon - zwischen anderen Regierungen, wie z.B. zwischen Paris und Moskau (ab 1966) sowie London und Moskau (1967). 1998 etablierte China eine Hotline sowohl mit Russland als auch mit den USA. Heute unterhält China zudem Hotlines mit Indien (seit 2010), Vietnam (seit 2012) und Taiwan (seit 2015). Auch zwischen Indien und Pakistan gibt es seit 2004 eine Telefonhotline in den Außenministerien, um einem Atomkrieg vorzubeugen. Die beiden Staaten auf der Koreanischen Halbinsel haben insgesamt 33 Telefonleitungen, um zu kommunizieren und zu verhandeln.
Bearbeitungsstand: November 2023
Quellen:
Arms Control Association: https://www.armscontrol.org/factsheets/Hotlines
NZZ: “Heißer Draht” zwischen Moskau und Washington, 20.06.2013: https://www.nzz.ch/international/das-historische-bild/heisser-draht-zwischen-moskau-und-washington-ld.795648
Stuttgarter Zeitung: Heißer Draht zwischen Russland und den USA, 30.09.2022: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.weltmaechte-im-ukrainekrieg-heisser-draht-zwischen-russland-und-den-usa.3ae14340-7a84-42aa-9f76-7934636299c8.html