Atomwaffen A-Z

via Himmelpfort, Sonderwaffenlager

Lychen II

ehem. Atomwaffenstandort, Deutschland

Die Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) verfügte während des Kalten Krieges vermutlich über insgesamt vier Zentrale Kernwaffenlager (Hauptlager) auf dem Boden der ehemaligen DDR und zwar an den Standorten Lychen, Stolzenhain, Waren und Bischofswerda. In den Lagern Lychen II (auch als Himmelpfort bekannt) und Stolzenhain waren vorrangig die Atomsprengköpfe für die Raketentruppen der NVA eingelagert.

Das ehemalige Zentrale Kernwaffenlager Lychen II (53°10'29“N, 13°17'04“O) lag ca. 80 km nördlich von Berlin. Es unterstand der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) und war mit einer Raketentechnischen Basis (RteB) ausgestattet.

Im Sommer 1967 wurde in der Nähe von Lychen in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem sowjetischen Raketenübungsgelände und des sowjetischen Truppenübungsplatzes „Tangersdorfer Heide“ mitten im Wald eine geheime Liegenschaft errichtet. Sie gliederte sich in voneinander getrennte Wohn-, Kasernen- und Technikbereiche. Die gesamte Anlage wurde am 6.12.1968 an die sowjetischen Streitkräfte übergeben. Den Kernbereich bildeten zwei identische Bunker, die eine Fläche von 150 x 150 m umfassten und in einem Winkel von 90° zueinander standen. Durch diese Anordnung wäre bei einer Druckwelle nur ein Bunkertor in Mitleidenschaft gezogen worden. In jedem Bunker befanden sich vier Kavernen von einer Größe 4,5m X 22,9m. In ihnen wurden die nuklearen Gefechtsköpfe für die Atomraketen untergebracht. In jeder Kaverne konnten in vier Reihen jeweils 30 bis 39 Gefechtsköpfe (GK) am Boden befestigt werden. Bei vier Kavernen lagerten etwa 120 GK pro Bunker d.h. Insgesamt 240 GK im Lager Lychen II. Die gesamte Lagerkapazität lässt die Vermutung zu, dass auch Gefechtsköpfe für die sowjetischen Raketentruppen vorhanden gewesen sein können.

Die Einlagerung der ersten Gefechtsköpfe erfolgte vermutlich im Jahr 1969. Sie waren in der Masse vorgesehen für die atomaren Einsatzmittel der 5. Armee.

Die  Ausstattung der NVA mit taktischen und operativ-taktischen Raketen lässt auf folgende atomare Bevorratung schließen:

  • FROG-3: Reichweite 32-45 km, GK: 3, 10, 20 KT
  • FROG-7: Reichweite 68 km, GK: 3-200 KT
  • SS-21: Reichweite 70 km, GK: 5-50 KT
  • SCUD-A: Reichweite 170 km, GK: 10, 20, 40 KT
  • SCUD-B: Reichweite 300 km, GK: 20-100 KT
  • SPIDER (SS-23): Reichweite 400, GK: 200-500 KT

Es gibt keine näheren Angaben über die Anzahl der einzelnen Gefechtskopftypen.

Die Raketentruppen der NVA hatten keinen Zugang zu den beiden Kernwaffendepots „Lychen II“ und „Stolzenhain“. Die Übergabe der atomaren Gefechtsköpfe erfolgte außerhalb der Lagerstätten an einem gemeinem Ort. Dort warteten die NVA-Transportkommandos auf die sowj. Fahrzeuge aus den Kernwaffendepots. Während der gesamten Phase, von der Übergabe bis zum Abschuss, befanden sich die Gefechtsköpfe unter sowj. Kontrolle. Mit Hilfe der sowj. Spezialisten wurde die Raketenmontage und die Eingabe der Zielkoordinaten durchgeführt. Erst danach konnte ein Raketenstart durch NVA-Raketentruppenteile erfolgen.

Die Räumung des Lagers „Lychen II“ war am 30.12.1990 abgeschlossen.

Bearbeitungsstand: Oktober 2012

►Weitere Informationen über Atomwaffenstandorte in Deutschland

Quellen:

Eckart V: Kernwaffendepot LYCHEN II: geheime Verschlusssache, Broschürenreihe zur deutschen Geschichte Nr. 25, 2011
Kaule M: Faszination Bunker: steinerne Zeugnisse der europäischen Geschichte, 2014
untergrund-brandenburg.de: Sonderwaffenlager „Lychen II“ bei Himmelpfort

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