Gießen (US-Site #4)
ehem. Atomwaffenstandort, Deutschland
Die US-Site #4 (50°36'00“N, 8°43'53“O) befand sich im US-Depot Gießen am östlichen Stadtrand. Dieser Bereich wurde ab 15.4.1979 von der 202 MP- (Militärpolizei) Abteilung bewacht und allgemein als "NATO-Site 4" bezeichnet. (Insgesamt gab es sechs solcher Depots in der Bundesrepublik Deutschland). Ab 1979 waren hier thermonukleare Sprengköpfe für die Kurzstreckenrakete Lance gelagert. Dabei handelte es sich um den atomaren Gefechtskopf W-70, der über eine variable Sprengkraft von 1-100 Kilotonnen (KT) verfügte. Außerdem wurden spezielle „Neutronen“ Sprengköpfe aufbewahrt.
Ebenfalls ab 1979 wurden größere Umbauten im Bereich der NATO-Site 4 vorgenommen. Es wurde ein mit schusssicherem Glas ausgestatteter markanter Betonturm errichtet, sowie eine Mikrowellen-Alarmanlage und spezielle Beleuchtung eingebaut. Diese zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen resultieren wohl daraus, dass die beginnende Friedensbewegung die meisten dieser Atomwaffendepots lokalisiert hatte und es kein Geheimnis mehr war, wo sich diese befanden. Allerdings ist bis heute unklar, welche und wieviele atomaren Sprengköpfe in der Site #4 in Gießen gelagert waren.
Das Lager wurde ausschließlich von der US-Army betrieben und bewacht. Das US-Wachpersonal (202. US-Unit) war in der Pendleton Kaserne in Gießen zusammen mit einem Zug der 564. MP untergebracht und dem V. Corps zugeteilt. Sergeant Jeff Mack (von 1979 bis 1982 bei der 202 MP) gab folgende Beschreibung der NATO-Site 4 und von seiner Arbeit: „Unsere Aufgabe war der Schutz von Lance Warheads im Depot. Es gab drei Türme; einer aus Stahlbeton und zwei aus Stahl. Alle hatten schusssicheres Glas, Schießscharten und Suchscheinwerfer. Die Sicherungszonen bestanden aus dem dreifach umzäunten innersten Bereich, in dem sich die zwei Bunker befanden. Im innersten Bereich war die Anwendung von Schusswaffen auch mit tödlichem Ergebnis befohlen. Jeder Bunker enthielt Lance Warheads in Transportbehältern. Als ältester Sergeant war es meine Aufgabe, jeden Morgen die Sprengköpfe zu zählen sowie die speziellen Verriegelungen der Bunkertore zu überprüfen.“
Vermutlich ab 1988 war die Site #4 nicht mehr mit Atomsprengköpfen belegt.
Bearbeitungsstand: Januar 2012
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