Projekt 596
Chinesischer Atomtest, 1964
Die Volksrepublik China führte ihren ersten Atomtest bei Lop Nor in der Provinz Xinjiang (Uigur: Sinkiang) mit der Bezeichnung 596, auch bekannt als “Miss Qiu” am 16. Oktober 1964 durch. Die US-Geheimdienste nannten ihn “Chic-1”. Die Atombombe war ein Uranimplosionssprengsatz aus Uran-235 und hatte eine Sprengkraft von 22 Kilotonnen.
Mit dem Atomtest wurde China die fünfte Atommacht der Welt und der erste asiatische Staat mit einer nuklearen Option. Die Entwicklung der Atombombe begann am 15. Januar 1955, angeregt durch Konfrontationen mit den USA etwa aufgrund der koreanischen Halbinsel, der Krise in der Taiwan-Straße und später dem Vietnamkrieg. Der chinesische Test fand genau zwei Jahre nach der Kubakrise, drei Jahre nach der Invasion in der Schweinebucht 1961 und zu einer Zeit statt, als die USA ihr Engagement in Südvietnam verstärkten - mit anderen Worten, in einer Zeit nahezu beispielloser Spannungen zwischen den USA und dem kommunistischen Block.
Maos Erklärung im April 1956 vor dem Politbüro der Kommunistischen Partei unterstrich die bereits durch die chinesische Führung getroffenen Entscheidungen für ein Atomprogramm: "Wir werden nicht nur mehr Flugzeuge und Artillerie haben, sondern auch die Atombombe. Wenn wir in der heutigen Welt nicht schikaniert werden wollen, müssen wir dieses Ding haben". Die chinesische Führung bat Moskau um wissenschaftliche und technische Unterstützung bei der Einführung eines Atomprogramms.
Die US-Geheimdienste beobachteten die Fortschritte Pekings im Nuklearbereich genau, obwohl vieles unbekannt blieb, darunter auch der Umfang der von der Sowjetunion geleisteten Unterstützung. Trotz der Geheimhaltung und der Herausforderungen gelang es China, sein Ziel zu erreichen.
Ende 1960 wussten die US-Geheimdienste, dass die chinesisch-sowjetischen Spannungen über ideologische und strategische Fragen Moskau dazu veranlasst hatten, die technische Hilfe einzustellen. Dennoch schrieb ein Geheimdienstoffizier des Außenministeriums, dass "kaum Zweifel daran bestehen, ... dass die Chinesen eine Kompetenz im Bereich der Atomenergie erlangt haben, die sie schließlich in die Lage versetzen würde, selbst ohne weitere sowjetische Hilfe eine eigene Waffe zu produzieren".
Das Amt des Direktors für Nachrichtendienste und Forschung des Außenministeriums schrieb in einem Memorandum jedoch nach dem Atomtest: "Unsere Schätzungen vor dem 16. Oktober gingen nicht davon aus, dass [China] in der Lage ist, das Isotop U-235 herzustellen." Somit erklärten die Geheimdienste, dass sie es nicht wussten, wie China an genügend waffenfähiges Uran für eine Bombe gekommen war.
Das Projekt 596 war Teil des Entwicklungsprogramms “Zwei Bomben, ein Satellit”. Chinas Ziel war eine Atomwaffe, eine Interkontinentalrakete und ein Satellit zu entwickeln. Mit der ersten Atomtest war ein Schritt erreicht, 1966 wurde die erste landgestützte Rakete gebaut und ein Satellit 1970 gestartet. Mit diesem Programm wollte das Volksrepublik die wissenschaftlichen und verteidigungspolitischen Fähigkeiten Chinas steigern und zum Wachstum der nationalen Stärke Chinas beitragen.
Vor dem Test bezweifelten einige US-Beamte, dass China in der Lage sei, eine Atomwaffe zu bauen. Nach dem Test zeigten die Reaktionen eine große Verunsicherung. Die taiwanesische Führung wollte einen von den USA unterstützten Militärschlag gegen China führen, um Peking am weiteren Ausbau seiner nuklearen Fähigkeiten zu hindern. Zu einem solchen Angriff kam es nie, da Taiwan nicht die gewünschte US-Unterstützung dafür erhielt .
US-Beamte befürchteten, dass der Test ein Wettrüsten in der Region auslösen würde und schlugen vor, mit der Sowjetunion über Nichtverbreitung zu verhandeln. Zwei Wochen nach dem chinesischen Test erörterten hochrangige US-Beamte offen die Möglichkeit, mit den Sowjets zusammenzuarbeiten, um Chinas Nachbarstaaten von eigenen Atomwaffen abzuhalten. Sie wollten unter anderem Indien versichern, dass Chinas Atomwaffen es nicht bedrohen würden.
1965 wurden Verhandlungen über einen Vertrag zur Eindämmung der nuklearen Nichtverbreitungs aufgenommen. Der Erwerb nuklearer Fähigkeiten durch China hatte die Spannungen zwischen China und der Sowjetunion noch verstärkt. Der Test könnte jedoch die Sowjetunion ebenso wie die USA dazu veranlasst haben, größere Anstrengungen zu unternehmen, um die Verbreitung von Kernwaffen zu stoppen. 1968 unterzeichneten die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion den Nichtverbreitungsvertrag (NVV). xh
Bearbeitungsstand: Oktober 2024
► Weitere Informationen zu den chinesischen Atomtests
Quellen:
Burr W: China’s First Nuclear Test 1964 – 50th Anniversary, National Security Archive, 16.10.2014
china.org.cn: China builds “two bombs, one satellite” memorial museum, 13.09.2015
Director of Central Intelligence: Communist China’s Strategic Weapons Programm, CIA, 04.04.1968
Rosen A: Here’s how the US reacted to China’s First Nuclear Test 50 years ago, Business Insider, 28.10.2014