Atomwaffen A-Z

Pydna

Die Pydna (50°02'36"N, 07°25'29"O) ist eine ehemalige Atomraketenstation der NATO im Hunsrück, ca. 3 km südlich der Stadt Kastellaun. Auf diesem Gelände sollten als Folge des NATO-Doppelbeschlusses 96 mit Atomsprengköpfen ausgerüstet Marschflugkörper gelagert werden. Der Stationierungsbereich im Hunsrück wurde in Abstimmung mit der NATO durch die Bundesregierung festgelegt. Gründe für die Auswahl des Geländes waren: dass hier schon einmal Mittelstreckenraketen stationiert waren, dass das Gelände weitgehend im Besitz des Landes Rheinland-Pfalz war und schließlich der nahe gelegene Militärflughafen Hahn, dessen Infrastruktur Flughafenfeuerwehr und Rettungsdienst für Notfälle zur Verfügung stand.

Die militärische Anlage war in drei Bereiche aufgegliedert: Verwaltung, Unterstützung, Schutzbauten. Für die Schutzbereiche, die aber in der Hauptsache militärisches Gebiet berührten, gab es besondere Vorschriften. Für die Marschflugkörper mussten 6 gehärtete atomsichere Bunker gebaut werden. In jedem Bunker waren zwei Feuerleitstellen und vier Werferfahrzeuge untergebracht. Alle Gebäude zur Versorgung und Lagerung der Atomwaffen befanden sich im Hochsicherheitsbereich. Die verschiedenen Batterien übten laufend den Ernstfall, das heißt, sie fuhren mit Übungsfahrzeugen zu den über ganz Rheinland-Pfalz verstreuten Abschussstellungen, um sich mit dem Gelände vertraut zu machen.

Vor der Bevölkerung wurden die Pläne geheim gehalten. Erst Eingaben der Bürger ins deutsche Verteidigungsministerium bewegten einige Politiker zu handeln und die Stationierung, wenn schon nicht aufzuhalten dann doch zu verzögern. Die US-Streitkräfte, als Betreiber der Anlage, begnügten sich vorerst mit dem Bau der Bunkeranlagen und der Lafetten und verlegten neu aufgestellte Einheiten für den Betrieb und Schutz der Raketenstation dort hin. Der Baufertigstellungstermin wurde verzögert. Zusätzliche aufwendige, vorher nicht geplante Sicherheitsmaßnahmen waren notwendig. Der geplante Fertigstellungstermin für die PYDNA (Ende 1986) konnte nicht eingehalten werden, eine Zwischenlösung war geplant. 1987 trafen die ersten BGM-109G Gryphon-Marschflugkörper in Westdeutschland ein. Die Lafetten zum Transport und Abschuss der Cruise Missiles wurden im Bundeswehr Depot bei Kappel zwischengelagert. Notwendige bauliche und organisatorische Maßnahmen waren dort inzwischen ausgeführt worden. Die eigentlichen Raketen wurden vorerst im Gelände des Militärflughafens Hahn stationiert, wo die Möglichkeit zur Lagerung atomarer Sprengköpfe bestand.

Die Sorge der Bevölkerung vor Ort durch Stationierung von Atomwaffen selbst zum Ziel für Raketen des Warschauer Pakts zu werden, führte zur Gründung einer regionalen Friedensbewegung. Ab Mai 1985 wurde eine Dauermahnwache an der Hunsrückhöhenstraße bei der Abfahrt zur Pydna eingerichtet. Täglich von 16:00 bis 17:30 Uhr demonstrierten Aktivisten mit einem Transparent »Hier wird Krieg vorbereitet«.

Am 11. Oktober 1986 fand auf dem Beller Marktplatz die größte Demonstration im Hunsrück statt. Rund 200.000 Menschen, davon etwa 10.000 aus dem Hunsrück, protestierten gegen die Stationierung der Raketen. Zum Abschluss der Kundgebung wurde die »Hunsrücker Erklärung« verlesen, die sich für eine Umkehr in der Sicherheitspolitik aussprach.

Ende der 1980er Jahre wurde das Gelände der Pydna aufgegeben auf Grund der allgemeinen Entspannung und des abgeschlossenen INF-Vertrages zwischen den Machtblöcken und der damit verbundenen Abrüstung und Abzug der alliierten Truppen. Im August 1993 übernahm die Standortverwaltung Kastellaun das Gelände. (LL)

Bearbeitungsstand: Januar 2019

Weitere Informationen über Atomwaffenstandorte in Deutschland

Atomwaffen A-Z