SCHWEITZER Albert
1875 - 1965
Schweitzer betonte Gewaltlosigkeit und humanitäre Werte. Obwohl nicht direkt mit Atomwaffen verbunden, setzte er sich für Frieden und internationale Kooperation ein, die indirekt gegen Atomwaffen standen.
Albert Schweitzer wurde am 14. Januar 1875 in Kayserberg im Elsass geboren. Als Sohn eines Pfarrers wuchs er im ländlichen Günsbach (Nähe Colmar) auf. Von 1893 bis 1898 studierte er Theologie und Philosophie an den Universitäten von Straßburg, Paris und Berlin. Die folgenden zwölf Jahre war er Pfarrer und Stiftsdirektor in Straßburg. Darüber hinaus widmete er sich den Geisteswissenschaften und promovierte mit einer Arbeit über die Religionsphilosophie bei Immanuel Kant.
Mit 30 Jahre beschloss er, Medizin zu studieren, und wurde nach seiner Promotion 1912 Tropenarzt. 1913 zog er als Missionsarzt mit seiner Frau Helene nach Afrika und baute in Lambaréné, Französisch Äquatorialafrika (das heutige Gabun), ein Urwaldhospital auf, das bis heute besteht. Ziel war und ist die Erforschung und Behandlung exotischer Krankheiten, wie der Schlafkrankheit, Aussatz und anderer Seuchen.
Da während des 1. Weltkrieges das Elsass zu Deutschland gehörte, galt Schweitzer in der französischen Kolonie als feindlicher Ausländer. Zunächst durfte er unter Bewachung seiner Arbeit nachgehen. Später wurde ihm jede Tätigkeit verboten. Die damit unerwartet erhaltene freie Zeit bot ihm Gelegenheit, seine Philosophie der "Ehrfurcht vor dem Leben" zu entwickeln. Nach Schweitzer hängt Kultur aufs engste mit der Lebensauffassung zusammen. Nur wer Ja zum Leben und zur Welt, in der er lebt, sagt, ist auch fähig, Kultur zu schaffen. Die Bejahung des Lebens und der Welt aber bedingt ethisches, d.h. verantwortliches Handeln. Ethik ist das Streben nach dem Ideal des Guten. „Ethisch ist der Mensch nur, wenn ihm das Leben als solches, das der Pflanze und des Tieres wie das des Menschen, heilig ist und er sich dem Leben, das in Not ist, helfend hingibt. Nur die universelle Ethik des Erlebens der ins Grenzenlose erweiterten Verantwortung gegen alles, was lebt, lässt sich im Denken begründen.“
Während des Ersten Weltkrieges musste er sein Spital in Lambaréné verlassen. Schon 1924 kehrte er aber zurück, und unternahm von da an immer wieder auch Reisen zu einigen Städten in Europa. 1921 veröffentlichte Schweitzer das Buch "Zwischen Wasser und Urwald", in dem er sein Leben als Arzt in Lambaréné beschreibt. 1928 erhielt er von der Stadt Frankfurt am Main den Goethepreis.
In seiner Rede zu Goethes 100. Todestag 1932 in Frankfurt am Main warnte Schweitzer vor dem aufkommenden Nationalsozialismus. Von 1939 bis 1948 lebte er in Afrika.
In den 1950er Jahren setzte er sich gegen die Atomtests ein. 1951 erhielt er den "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels". Für seinen medizinischen Einsatz in Afrika und für seine Bemühungen um die Völkerverständigung wurde Albert Schweitzer mit dem Friedensnobelpreis von 1952 geehrt.
Zum ersten Male äußerte Albert Schweitzer seine Besorgnisse über den Gebrauch von Atombomben in einem Brief, der am 14. April 1954 im „Daily Herald“ in London erschien. Er schrieb: „Die Folgen der Wasserstoffbomben-Explosion bilden ein höchst beängstigendes Problem... Erforderlich wäre, dass die Welt auf die Warnrufe der einzelnen Wissenschaftler hörte, die dieses furchtbare Problem verstehen. So könnte die Menschheit beeindruckt werden, Verständnis gewinnen und die Gefahr begreifen, in der sie sich befindet.“ Bei der Rede anlässlich der Übergabe des Friedensnobelpreises vom 4. November 1954 in Oslo äußerte er sich erneut zur Gefahr der Atomrüstung.
Von vielen Freunden und bekannten Wissenschaftlern, darunter dem am 18. April 1955 verstorbenen Albert Einstein, wurde Schweitzer immer mehr gedrängt, öffentlich gegen die Atombombe und die Atomtests zu protestieren. Namhafte Wissenschaftler waren der Meinung, dass das Renommee Schweitzers helfen könnte, die Weltöffentlichkeit auf das Problem der nuklearen Verseuchung und der davon ausgehenden Gefahr für die Menschen aufmerksam zu machen. Robert Jungk schrieb dazu: "Fast jeder, der in den Jahren zwischen 1954 und 1957 mit Albert Schweitzer privat zusammentraf, wurde von ihm intensiv über die 'Atomgefahr' ausgefragt".
Schweitzer schrieb im Januar 1957 einen Brief an den US-amerikanischen Präsidenten Dwight Eisenhower: „... Wir teilen beide die Überzeugung, dass die Menschheit einen Weg finden muss, um die Waffen zu kontrollieren, die das Leben auf der Welt bedrohen. ... ich hoffe, dass es uns beiden vergönnt sein wird, den Tag zu erleben, an dem die Leute auf der Welt erkennen werden, dass das Schicksal der ganzen Menschheit aufs Spiel gesetzt wird und dass es dringend notwendig ist, eine klare Entscheidung zu treffen, welche angemessen mit der quälenden Situation umgehen kann, in der die Welt sich zur Zeit selber befindet. “
Am 23. April 1957 ließ Schweitzer über Radio Oslo seinen „Appell an die Menschheit“ verbreiten. Der Aufruf wurde von etwa 140 weiteren Radiostationen in fünfzig Ländern übernommen. Vielen Sendern - im Osten wie im Westen - wurde dies allerdings verboten. Auch in den USA wurde die Sendung nicht ausgestrahlt.
Am 14. Januar 1958, dem 83. Geburtstag von Schweitzer, übergab der Chemiker und Nobelpreisträger Linus Pauling der UNO in New York eine von 9236 Wissenschaftlern, darunter auch von Schweitzer, unterschriebene Petition, mit der Forderung, einen Atomteststopp-Vertrag zu veranlassen. Auf eine Ankündigung der UdSSR sagten auch die USA und Großbritannien zu, bis zum 31. Oktober 1958 die Atomtests zu stoppen. Das Teststopp-Moratorium hielt 34 Monate.
Schweitzer schrieb drei weitere Appelle, deren Manuskripte von Gunnar Jahn, dem Präsidenten des norwegischen Nobelpreiskomitees, vorgelesen wurden. Die Radiosendungen „Verzicht auf Versuchsexplosionen“, „Die Gefahr eines Atomkrieges“ und „Verhandlungen auf höchster Ebene“ wurden am 28., 29. und 30. April 1958 über Radio Oslo ausgestrahlt und fanden weltweit ein großes Echo. Die drei Reden erschienen im selben Jahr im Verlag C. H. Beck in München unter dem Titel „Friede oder Atomkrieg“ und wurden auch in unzähligen andern Sprachen veröffentlicht.
Wie unter den Bedingungen des Kalten Krieges zu erwarten, wurde Schweitzer neben vielfacher Zustimmung auch heftig angegriffen. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb am 10. September 1958 unter dem Titel „Seltsamer Albert Schweitzer“: „Der verehrte Name Albert Schweitzers darf nicht davon abhalten, festzustellen, dass dieses Dokument politisch und philosophisch, militärisch und theologisch wertlos ist. Das Wagnis, das er dem Westen zumutet, ist an sich schon ungeheuerlich. Das Urteil über Amerika und die Sowjetunion anderseits macht es vollends unmöglich, Albert Schweitzers Rat ernsthaft in Erwägung zu ziehen.“
Im August 1961 führte die UdSSR erneut Atomversuche durch, so dass sich auch die USA nicht mehr an das Moratorium gebunden fühlten. Am 20. April 1962 schrieb Schweitzer Präsident Kennedy einen Brief, in dem er die Meinung äußerte: „dass Abrüstung unter einer wirkungsvollen internationalen Kontrolle“ das wichtigste Ziel und die dahingehenden Bemühungen nicht „abhängig von unnötigen Appellen zu internationalen Überprüfungen der Nichtweiterführung der Tests“ gemacht werden sollen. Dann hatte er den Mut, den Präsidenten auf etwas aufmerksam zu machen, „das auch Sie selber betrifft“, die Auswirkungen der radioaktiven Strahlung auf das menschliche Erbgut. Er schloss den Brief mit dem Satz: „Es war für mich nicht leicht, Ihre Aufmerksamkeit auf die große Verantwortung zu ziehen, die Sie gegenüber künftigen Generationen haben. Bitte, vergeben Sie mir; Ich konnte nicht anders handeln, nicht nur der Menschheit zuliebe, sondern auch aus Überlegungen Ihnen gegenüber.“
Mitten in der Kuba-Krise 1962 schrieb Schweitzer an Norman Cousins, „dass die Zeit für diejenigen arbeitet, die die Atomwaffen abschaffen wollen“. Da er befürchtete, dass die USA eventuell Atombomben zur Lösung der Krise einsetzen könnten, schrieb er einen offenen Brief an den US-amerikanischen Verteidigungsminister Robert McNamara. Er bat Cousins, in den USA eine Zeitung zu finden, die den Brief veröffentlichen würde. Nachdem die Krise vorbei war, wollte jedoch Cousins den offenen Brief nicht mehr veröffentlichen. Schweitzer insistierte: „Wir können nicht aufhören, McNamara aufs schärfste öffentlich zu kritisieren, da er angekündigt hat, dass er Atombomben benützen würde“.
Als der Atomteststoppvertrag 1963 in Kraft trat, schrieb Schweitzer an Präsident John F. Kennedy: „Ich schreibe Ihnen, um Sie zu beglückwünschen und Ihnen zu danken, dass Sie den Weitblick und Mut besaßen, eine Politik zum Weltfrieden einzuleiten. Endlich wird ein Lichtstrahl in der Dunkelheit sichtbar, in der die Menschheit ihren Weg suchte, und gibt uns die Hoffnung, dass die Dunkelheit dem Licht weichen wird.“
Albert Schweitzer starb am 4. September 1965 in Lambaréné.
Die Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (International Physicians for the Prevention of Nuclear War, IPPNW) setzen sich seit ihrer Gründung 1980, ganz im Sinne von Albert Schweitzers „Ehrfurcht vor dem Leben“, für die Verhinderung eines Atomkrieges ein. Für ihre Arbeit erhielten sie 1984 den UNESCO-Friedenspreis und 1985 den Friedensnobelpreis. (XH)
Quellen: Albert Schweitzer Homepage; Who’s Who; Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum; Webseite der Friedensnobelpreises; Albert-Schweitzer-Stiftung.
Bearbeitungsstand: September 2009