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STEWART Alice

Ärztin und Epidemiologin, 1906 - 2002

Stewart war eine britische Epidemiologin. Sie führte wegweisende Forschung durch, die die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Röntgenstrahlen auf schwangere Frauen aufzeigte.

Alice Stewart wurde zusammen mit Rosalie Bertell „für die Aufdeckung der tatsächlichen Gefahren – entgegen den offiziellen Behauptungen – geringer Strahlendosen“ und „für die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Zerstörung der Biosphäre und der menschlichen Gene durch niedrige Strahlendosen“ mit dem Alternativen Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Alice Stewart wurde als Alice Mary Naish am 4. Oktober 1906 in Sheffield als drittes von acht Geschwistern geboren. Ihre Eltern waren beide bekannte und sehr engagierte Kinderärzte, die sich um die Verbesserung sozialer Verhältnisse in den Arbeitersiedlungen in Sheffield bemühten. Alice Stewart studierte in Cambridge Medizin.

Die britische Epidemiologin Alice Stewart bewies, dass Strahlenexposition und Krebs in direktem Zusammenhang stehen. Stewart wurde 1946 als bis dahin jüngste Frau ins Royal College of Physicans aufgenommen. Im selben Jahr war sie Mitbegründerin der Zeitschrift British Journal of Industrial Medicine.

Ihr Erkenntnis, dass das Röntgen während der Schwangerschaft schädlich für das Fötus war, überraschte Stewart sehr, wurde aber von der wissenschaftlichen Gemeinde überhaupt nicht begrüßt.
Die allgemeine Begeisterung für Röntgenstrahlung war damals, Mitte der fünfziger Jahre, auf einem Höhepunkt. Die britische und die US-amerikanische Regierung investierten gewaltige Summen in den atomaren Rüstungswettlauf und förderten den Ausbau der Nuklearenergie. So gab es wenig Bereitschaft, die alarmierenden Ergebnisse von Stewart zur Kenntnis zu nehmen. Frau Stewart erhielt nie wieder eine größere Forschungsförderung in England.

Sie konnte nachweisen, dass der Fötus im ersten Trimester der Schwangerschaft zirka dreimal strahlenempfindlicher ist als im dritten Trimester und dass Kinder vor dem Ausbruch ihrer Krebserkrankung bereits eine stark erhöhte Anfälligkeit für Infektionserkrankungen haben. Sie zeigten eine Verbindung zwischen Schutzimpfung und Krebsresistenz auf, was auf einen Zusammenhang zwischen Krebs und Immunsystem hindeutete.

In vielen Verfahren sagte sie auf Seiten von Nukleartestveteranen und Menschen aus, die im Bereich der Abwindfahnen von Reaktoren und Testorten gelebt hatten. 1986 erhielt sie ein Forschungsstipendium in Höhe von 1,4 Millionen Dollar zur Untersuchung der Wirkung geringer Strahlendosen aus dem Three Mile Island Fonds. Auf dem Wege über den Freedom of Information Act – einer im US-Recht verankerten Möglichkeit, geheime Informationen freizuklagen – gelang es Alice Stewart 1992, zumindest an ein Drittel der für diese Studie notwendigen Gesundheitsdaten der Nukleararbeiter zu gelangen. Die New York Times nannte das auf ihrer Titelseite einen „Triumph für die wissenschaftliche Freiheit“. Stewart und der Statistiker George Kneale fanden, dass das Krebsrisiko der Arbeiter etwa 20 mal höher war als behauptet wurde. Dieses Ergebnis war nicht in Übereinstimmung mit den mit hunderten von Millionen Dollar finanzierten Hiroshima und Nagasaki-Studien, auf denen die internationalen Sicherheitsrichtlinien basieren.

In einer Reihe von Veröffentlichungen deckte Alice Stewart die Gründe auf, weshalb die Hiroshima- und Nagasaki-Daten das Strahlenrisiko bei niedrigen Belastungen unterschätzen. Ein Hauptgrund ist die Selektierung von außergewöhnlich gesunden Personen unter den erst 1950 identifizierten Überlebenden. Diese für Strahlenschutzrichtlinien besonders wichtigen Arbeiten konnten von den internationalen Strahlenschutzkommissionen bisher nicht überzeugend widerlegt werden, man hat sie einfach unbeachtet gelassen.

„Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“, betonte sie. Und: „Es hilft, in diesem Forschungsfeld langlebig zu sein.“ Professor Wolfgang Köhnlein (ehem. Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz) sagte über Stewart: „Sie erlebte auch, wie ihre Anstrengungen dazu beitrugen, die Macht des US-amerikanischen Energieministeriums über die Strahlenforschung zu brechen. Sie konnte mit Genugtuung miterleben, wie die Energieministerin Hazel O’Leary 1993 die geheimen Aufzeichnungen über das Regierungsmanagement der nuklearen Operationen während des Kalten Krieges veröffentlichte; einschließlich der Aufzeichnungen über Strahlenversuche an Menschen. Sie erlebte auch, wie ein anderer Energieminister im Jahr 2000 Entschädigungszahlungen an Nukleararbeiter empfahl, die an Krebs erkrankt waren, den sie sich möglicherweise während ihrer Tätigkeit zugezogen hatten.“

Noch kurz vor ihrem neunzigsten Geburtstag im Jahr 1996 wurde Alice Stewart Ehrenprofessorin der Universität von Birmingham, an der sie seit 1974 geforscht und gelehrt hatte. Sie war bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 2002 im Sinne ihrer Lebensaufgabe aktiv. (Quellen: International Institute of Concern for Public Health und Köhnlein, Wolfgang: Dr. Alice Stewart ist tot. Strahlentelex, Nr. 374-375 / 16. Jahrgang, 1. August 2002)

Bearbeitungsstand: November 2009

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