Atomwaffen A-Z

SIOP Zielliste der USA

engl.: Single Integrated Operational Plan (SIOP)

Im Jahr 1986 hatte der amerikanische Atomkriegsplan 16 000 Objekte in der Sowjetunion als Ziele für einen US-Nuklearangriff aufgelistet. Mit dem Ende des Kalten Krieges trat ein fundamentaler Wechsel bei der Suche nach einem atomaren Gegner ein. Nachdem der US-Generalstab (Joint Chiefs of Staff/JCS) im Dezember 1995 gefordert hatte, die Zielplanung auf Schwellenländer auszudehnen, wurde dieser Vorschlag mit der Direktive PDD 60 von Präsident Bill Clinton im November 1997 offizielle US-Politik.

Im Stratcom-Hauptquartier werden die allgemeinen Richtlinien in einen konkreten Kriegsplan, den Oplan 8044 Siop, umgesetzt. Stratcom hat eine Liste von 150 000 bis 160 000 potenziellen Angriffszielen, die Modified Integrated Database (MIDB), erstellt. Nur eine Auswahl wird in die tatsächliche Zielliste, die National Target Base (NTB), übernommen. Der Siop 00 vom Oktober 1999 sah erstmals vor, dass von den 3000 NTB-Zielen sich 740 Objekte außerhalb Russlands, also in Schwellenländern der Dritten Welt, insbesondere der Volksrepublik China, befanden.

Gegnerische Kommandozentralen und ABC-Waffen sind besonders wichtige Zielobjekte (high-payoff targets/HPT), ihre Vernichtung ist vordringlich. So müssen die gegnerischen Massenvernichtungsmittel ausgeschaltet werden, bevor der Gegner sie einsetzen kann. Diese Objekte gelten daher als time-sensitive targets (TST). Außerdem weist die eigene Aufklärung erfahrungsgemäß Lücken auf, man spricht dann von »unanticipated« bzw. »unplanned immediate targets« (nicht vorhergesehene unmittelbare Ziele, d.Red.). Schließlich muss festgelegt werden, welche Ziele nur unter bestimmten Bedingungen oder auf gar keinen Fall angegriffen werden dürfen. Solche Objekte (z. B. Atomkraftwerke) werden in einer Restricted Target List (RTL) bzw. in einer No-Strike List (NSL) aufgeführt.

Das Verfahren zur Erstellung eines Atomkriegsplanes wurde von den US-Streitkräften in den letzten Jahrzehnten entwickelt und gilt bis heute, als hätte es das Ende des Kalten Krieges nie gegeben. Im Prinzip wird die Methode von jeder anderen Nuklearmacht in gleicher Weise praktiziert: Zunächst legen die Atomkrieger im Rahmen der sog. Weapon Allocation fest, welche Gefechtsköpfe oder Atombombentypen groß genug sind, um ein bestimmtes Objekt zu zerstören. Die so genannte Letalität errechnet sich aus Sprengkraft und Treffgenauigkeit. So kann ein unterirdisches Objekt - je nach Größe - mit einer konventionellen Waffe sowie einer kleineren oder größeren Nuklearwaffe angegriffen werden. Bei der Weapon Application wird jeder Atomwaffe aus dem US-Bestand ein bestimmtes Ziel zugewiesen. Zum Schluss wird festgelegt, wann und in welcher Reihenfolge die Ziele attackiert werden sollen. Im Kriegsfall möchte der US-Präsident auf möglichst viele Optionen zurückgreifen können, die sich danach unterscheiden, wie viele von welchen Zielen angegriffen werden. Für jede Option wird dann eine Schadensabschätzung (Consequences of Execution Analysis) vorgenommen. So unterscheiden die US-Atomkrieger zwischen umfassenden Major Attack Options (MAO) und Limited Nuclear Options (LMO), zwischen langfristig vorbereiteten Directed Planning Options (DPO) und kurzfristig entwickelten Adaptive Planning Options (ADO).

Außer gegen Russland und China entwickelte Stratcom für den Global Strike Einsatzpläne gegen fünf weitere, namentlich nicht genannte Staaten. Gegen jedes dieser Länder wird ein Theater Nuclear Planning Document (TNPD) für den Atomwaffeneinsatz und ein Theater Planning Support Document (TPSD) für konventionelle Angriffe aufgestellt. Auch für den letzten Golf-Krieg (Operation Iraqi Freedom) im Jahre 2003 waren augenscheinlich Atomschläge vorbereitet. Stratcoms Kriegsplanung gegen Schwellenländer ist dabei integraler Bestandteil der Siop-Planung. Mit seinen Planungen unterstützt Stratcom die jeweiligen Regionalkommandos (Eucom, Centcom, Pacom). (Quelle: Gerhard Piper, Frankfurter Rundschau vom 20. 3. 2004)

Bearbeitungsstand: Dezember 2007

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